Türkei-Stichwahl: Mehrheit der Stimmen aus Hamburg für Erdogan
Eine deutliche Mehrheit der türkischen Wahlberechtigten in Hamburg hat bei der Stichwahl für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gestimmt.
Insgesamt waren etwa 40.000 Menschen in Hamburg wahlberechtigt. Von denen, die abgestimmt haben, wählten knapp 62 Prozent Erdogan. Das gehe aus Zahlen der türkischen Wahlbehörde hervor, sagte Raoul Motika, Türkei-Experte an der Universität Hamburg, NDR 90,3. Damit entfielen bei der Stichwahl noch einmal 2,5 Prozent mehr Stimmen aus Hamburg auf Erdogan als im ersten Wahlgang vor zwei Wochen.
Hunderte bejubeln Wahlsieg Erdogans
Am Sonntag hatten Hunderte Menschen in Hamburg den Wahlsieg Erdogans öffentlich gefeiert. Auf der Moorweide vor dem türkischen Konsulat bejubelten etwa 1.000 Anhängerinnen und Anhänger des türkischen Präsidenten das Wahlergebnis. Außerdem gab es mehrere Autokorsos.
Özoguz: "Viele wissen nicht mehr genau, wie es in der Türkei zugeht"
Die Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, ehemals Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, sagte im Gespräch mit NDR Info über die vielen Erdogan-Wähler und -Wählerinnen in Deutschland: "Ich glaube, dass viele die Augen davor verschließen oder gar nicht mehr so genau wissen, wie es wirklich in der Türkei zugeht und wie es den Menschen dort geht. Und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch von den Menschenrechten her."
Abaci: Wahl war frei, aber nicht fair
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci bemängelte, die Wahl in der Türkei sei frei, aber nicht fair gewesen. Die Opposition habe kaum Zugang zu den Medien gehabt.
Fegebank schockiert über Wolfsgruß
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, dass sie bei einem Autokorso an der Alster zahlreiche zum Wolfsgruß geformte Hände gesehen habe. Der Wolfsgruß ist ein Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe. "Ich bin schockiert, das so zu sehen", so Fegebank.
Nicht jeder Erdogan-Wähler sei ein Extremist, sagte SPD-Politiker Abaci. Aber Extremisten hätten für Erdogan Wahlkampf gemacht. In einem demokratischen Rechtsstaat zu leben und dennoch für einen Autokraten zu stimmen, sei bei vielen in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürgern "leider traurige Realität", so Abaci.
Deutlich zurückhaltender äußerte sich Murat Kaplan, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hamburg. Er hoffe, dass nach der Wahl die Spaltung in der Türkei nicht weiter zunehme. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator forderte, die Menschen in der Türkei zu unterstützen, die für Demokratie und Menschenrechte abgestimmt haben. Erdogan habe nur knapp gewonnen, betonte Gladiator. Die Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir befürchtet, dass Minderheiten und der Opposition in der Türkei jetzt noch stärkere Repressionen drohen.
Erdogan setzte sich gegen Kilicdaroglu durch
Der 69 Jahre alte Erdogan hatte die Stichwahl gegen den 74-jährigen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu für sich entschieden. Erdogan erhielt nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlbehörde rund 52 Prozent der Stimmen, Kilicdaroglu etwa 48 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 85 Prozent.
40.000 Menschen in Hamburg durften wählen
Türkinnen und Türken mit Wohnsitz außerhalb der Türkei dürfen seit 2014 auch im Ausland wählen. Mehr als 40.000 in Hamburg lebende türkische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen konnten im türkischen Generalkonsulat im Stadtteil Rotherbaum ihre Stimme abgeben. Das ist auch für die Türkinnen und Türken zuständig, die in Schleswig-Holstein wohnen.