Smarte Routenplanung: CO2 einsparen im Frachtverkehr
Laut aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes produzieren Schiffe im Jahr bis zu 940 Millionen Tonnen CO2. Um dem entgegenzuwirken, hat ein Hamburger Start-up eine App entwickelt, die besonders grüne Routen berechnet.
Auf den Weltmeeren sind immer mehr und immer größere Schiffe unterwegs. Dadurch wird in einem Jahr mehr CO2 produziert als die Emissionen Deutschlands im gleichen Zeitraum. Die Tendenz ist steigend. Doch Expertinnen und Experten sind sich einig: Es gibt erhebliches Einsparungspotenzial. Das haben sich auch die Gründer des Start-ups Searoutes gedacht. Sie haben eine Plattform aufgebaut, mit deren Hilfe Kunden die grünste Route für ihre Warentransporte finden können. Ihr Arbeitsplatz: der Co-Workingspace "Digital Hub Logistics" in der Hamburger Speicherstadt. Niedrige Decken, Rotklinker-Wände und dicke Stützbalken aus Holz prägen den Bau. Normalerweise brüten hier Wirtschaft und Forschung über die Logistik von morgen. Hier können sich Start-ups mit Unternehmen wie Beiersdorf oder Lufthansa vernetzen; zudem gibt es Kooperationen mit dem Fraunhofer Institut und verschiedenen Hamburger Hochschulen. Aktuell ist Homeoffice angesagt. Nur Pierre Garreau hat heute einen der gläsernen Konferenzräume reserviert. Der gebürtige Franzose ist einer von zwei Gründern des Start-ups Searoutes: Sie wollen eine Navigationssoftware anbieten, die den Umweltfaktor bei der Routenberechnung berücksichtigt: "Also wenn ich einen Container vom anderen Ende der Welt nach Europa schicken möchte, dann kommen ein paar Fragen auf: Welches Schiff oder welchen Zug nehme ich? In welchem Hafen belade ich das Schiff und wo lösche ich die Ware? Uns geht es darum, die Route mit dem geringsten Schadstoffausstoß von Tür zu Tür zu finden."
Kriterien: Schnell, günstig und umweltfreundlich
Die Berechnung ist komplex, denn die kürzeste Route ist nicht zwangsläufig die umweltfreundlichste, schon gar nicht die günstigste. Ausschlaggebende Faktoren für den CO2-Ausstoß sind etwa die Größe eines Schiffes, die Geschwindigkeit, mit der es fährt und das Wetter. Für ihren Algorithmus nutzen die Unternehmer unter anderem Daten des automatischen Identifikations-Systems von Schiffen, das eigentlich zur Sicherheit der Schifffahrt eingeführt wurde: "Der Versender muss sich entscheiden ob er seine Ware möglichst schnell, günstig oder möglichst umweltfreundlich verschicken will. Bisher gibt's noch keine Möglichkeit, die verschiedenen Optionen miteinander zu vergleichen und dann eben das passende Angebot auszuwählen."
Unternehmen müssen nachhaltiger wirtschaften
Der Druck auf die Firmen, möglichst umweltfreundlich zu verschiffen wächst. Für die Emissionen der Schiffe müssen sie CO2-Zertifikate kaufen. Das schlägt sich in den Transportkosten nieder. Auch die Europäische Union will die Emissionen von Treibhausgasen durch die internationale Seefahrt bis 2050 stark reduzieren. Pierre Garreau sieht durch die Berechnungen von Searoutes bereits riesiges Einsparungspotenzial, wie er am Beispiel Hamburg nach Los Angeles deutlich macht: "Die Ergebnisse, die ich bekomme, unterscheiden sich zum einen in der Transitzeit - in diesem Fall zwischen 28 und 35 Tagen. Außerdem variiert der CO2-Ausstoß pro Container zwischen 1,5 bis 1,9 Tonnen CO2. Es gibt also Einsparungspotenzial beim CO2 Ausstoß zwischen 25 bis 30 Prozent."
Start-up Searoutes will unabhängiger Anbieter bleiben
Konkret zeigt die Plattform aber auch, dass es deutlich umweltfreundlicher ist, mit Ware aus Nordafrika einen Mittelmeerhafen anzusteuern und den Transport dann per Bahn weiterzuführen. Bislang sei die bevorzugte - da preisgünstigere Variante - die Ware um den gesamten europäischen Kontinent herum bis nach Hamburg zu schiffen, berichtet Garreau. Für ihn ist es daher auch wichtig, dass Searoutes ein unabhängiger Anbieter bleibt, um nicht die Interessen bestimmter Logistikunternehmen zu vertreten: "Wenn man direkt über die App eine Route buchen könnte, dann hätte ich einen Anreiz, bestimmte Serviceleistungen zu pushen, bei denen ich den größten Gewinn rausschlagen kann. Dann wären wir so wie Amazon, die dir bestimmte Bücher verkaufen, weil die Marge am höchsten ist. Wir wollen gar keine Buchungsplattform werden. Wir wollen eine neutrale Plattform bleiben, bei der man ehrliche Auskunft über CO2 und Logistik bekommt."
CO2-Preis: Politik kann lenkend wirken
Die Anwendung steht zurzeit noch kostenlos im Internet zur Verfügung. Ähnlich wie bei anderen Suchmaschinen, können Kunden Start- und Zielort der zu verschiffende Ware eintragen. Das System zeigt dann die verschiedenen Optionen an, die man dann zum Beispiel bei Maklern wie etwa Kühne und Nagel buchen kann. Garreau und sein internationales Team hoffen, dass durch den CO2-Preis in Zukunft mehr Anreiz besteht, die CO2-ärmste Route zu wählen und nicht etwa die günstigste.