Regionalwert AG stärkt Betriebe im Norden
Was gerade im Umland auf den Äckern wächst, ist im Supermarkt zweitrangig. Hier findet man auch im Winter Erdbeeren im Regal. Gleichzeitig machen Massentierhaltung und der Einsatz von Pestiziden den Verbraucher unsicher, was er überhaupt noch kaufen darf. Und viele Bauern stehen unter Existenzdruck, wenn sie unter besseren Bedingungen produzieren wollen. Diesen Kreislauf will ein Netzwerk im Norden unterbrechen: die Regionalwert AG. Ein Stück aus der Reihe "NDR Info Perspektiven".
Es ist Mittagszeit in einer alten Fabrikhalle im Hamburger Oberhafen. Stimmengewirr, klappernde Teller, beschäftigte Köche. So weit, so gewöhnlich für ein Restaurant in der Hafencity. Doch gewöhnlich ist die Hobenköök aus verschiedenen Gründen nicht. "Wir versuchen kleinen Produzenten eine Plattform zu bieten, und zwar so, dass wir fast alles direkt bei ihnen kaufen", erklärt Koch und Chef Thomas Sampl. "Entweder wir holen es oder die bringen es. Sodass man hier eine hohe Dichte an regionalen Betrieben hat. Fast 80 Prozent unserer Sachen kommen aus 200 Kilometern Umkreis."
Regional und saisonal wird gelebt
Und so kommen am Mittag die Dinge in die Töpfe und Pfannen der Köche, die ein paar Meter weiter auch in den Regalen und Kisten liegen. Die Hobenköök ist Restaurant und Markthalle in einem. Regional und saisonal ist hier kein hehres Ziel, sondern ein Konzept. "Es ist tatsächlich so, dass wir die Waren von den kleinen Produzenten bekommen, die hier ausstellen. Das heißt, Sie können hier richtig einkaufen, wie in einem Supermarkt. Aber auch die Köche bedienen sich hier an den Waren, als wenn sie im Markt einkaufen. Das heißt, sie gucken, was ist gerade ganz frisch da und kochen daraus die Speisekarte."
Eine Aktiengesellschaft im Hintergrund
Die Produzenten, von denen Thomas Sampl spricht, kennt er fast alle persönlich. Zum Teil kommen sie morgens vorbei, um ihre Regale selbst einzuräumen. Denn viele von ihnen sind, wie die Hobenköök, Partner in der Regionalwert AG. Ulf Schönheim ist Gründer der AG und erklärt, was sich dahinter verbirgt: "Die Regionalwert Hamburg AG ist eine Bürgeraktiengesellschaft. Wir geben alle zwei, drei Jahre Aktien aus, eine kostet 500 Euro. Dieses Geld investieren wir in landwirtschaftliche Betriebe, Handel und Gastronomie." Die Investition läuft als Eigenkapital.
Die Regionalwert AG, und somit die Aktionäre, werden Miteigentümer der Betriebe. Die verpflichten sich zu sozialen und ökologischen Standards und zur Zusammenarbeit: "Wer kann was für wen erzeugen, wer hat Übermengen, wie muss nichts weggeworfen werden? So wollen wir ein Netzwerk vom Acker bis zum Teller aufbauen mithilfe der Bürgerinnen und Bürger, die im Idealfall - wie hier in der Hobenköök - die eigenen Produkte kaufen und so die regionale Lebensmittelwirtschaft unterstützen können."
Gezielte Förderung kleiner Unternehmen
Die Regionalwert AG gab den Gründern der Hobenköök 100.000 Euro, sodass sie im August 2018 öffnen konnte. Nun fungiert sie als Marktplatz für regionale Produkte, gerne aus Partnerbetrieben. Eine Führung durch die Halle klingt dann so: "An der Fleischtheke die Weidehühner aus einem jungen Betrieb, der Hühner in Mobilställen hält und eigene Schlachtung hat, also keine Tiere transportiert. Noch ein Beispiel, das sind die langen Schnucken, kleine Minisalamis vom Waldhof Zydek. Das sind zwei junge Landwirte, die wir bei der Hofnachfolge unterstützen." Die beiden sind Kandidaten für die nächste Investitionsrunde, sagt AG-Gründer Schönheim: "Das Geld, das wir jetzt durch die Aktien einnehmen, könnte in eine neue Melkanlage oder eine Kälberanlage beim Waldhof Zydek fließen."
Investition mit Haltung
Zum Reichwerden ist eine Aktie bei der Regionalwert AG nichts. Den Aktionären gehe es um andere Dinge: "Wir hören von den Aktionären, dass ihnen eine soziale und ökologische Rendite am wichtigsten ist. Wie bin ich mit meinen Böden umgegangen? Da spielt Transparenz eine große Rolle. Die Aktionäre wollen einfach verstehen, wie Landwirtschaft, wie Lebensmittelwirtschaft funktioniert." Indem man Regionalwert unterstützt, könne man für etwas eintreten - und nicht nur dagegen sein. Das sei vielen Aktionären wichtig, genau wie die Tatsache, dass sie genau wissen, woher die Lebensmittel kommen, die auf ihrem Tisch liegen.