Psychische Belastungen: Mental Health Coaches helfen an Schulen
Viele Jugendliche haben mit psychischen Problemen zu kämpfen. An einigen Schulen, auch in Hamburg, kommen daher jetzt regelmäßig sogenannte Mental Health Coaches zu Besuch, die Präventionsarbeit leisten.
Die Corona-Pandemie liegt hinter uns, aber viele Jugendliche sind psychisch immer noch schwer belastet. Vergangenes Jahr hat das Bundesfamilienministerium deswegen mit den Mental Health Coaches ein Modellprojekt gestartet. Das sind Fachleute etwa aus der Sozialpädagogik, Sozialarbeit oder Psychologie. In Gruppencoachings versuchen sie, Schülerinnen und Schüler über psychische Gesundheit aufzuklären, noch bevor diese Beschwerden entwickeln. Das Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer in Hamburg ist auch dabei.
Spielerischer Ansatz
Gesundheitswissenschaftlerin Makka Dzumaeva arbeitet direkt in der Klasse und packt dort ein großes, buntes Tuch aus: "Hintergrund des Spiels ist, dass wir erfahren, was im Körper passiert, wenn wir gestresst sind", sagt sie. Die Schülerinnen und Schüler stellen sich im Klassenraum in einem Kreis auf, jeder einen Tuchzipfel in der Hand. Makka Dzumaeva animiert die Schüler*innen: "Wedelt einmal ganz doll mit dem Tuch. Was merkt ihr in eurem Körper?" Eine Schülerin spricht von Adrenalin. Die Neunt- und Zehntklässler vom Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer sollen heute lernen, wie ihr Nervensystem bei Stress reagiert und auch wie sie durch gezielte Übungen wieder runterkommen können. Ihr Gymnasium in Hamburg ist eine von bundesweit rund hundert Schulen, an denen das Familienministerium ein Modellprojekt testet: Regelmäßig kommen hier sogenannte Mental Health Coaches in den Unterricht, klären die Jugendlichen über psychische Gesundheit auf und wie man Belastungen vorbeugt.
Zahl der psychischen Erkrankungen weiterhin erhöht
Svenja Heinrich koordiniert das Projekt in Hamburg. Aus ihrer Sicht geht es darum, durch das Programm die Resilienzen der Schülerinnen und Schüler zu stärken: "Wir haben die Folgen der Corona-Krise erlebt. Darum ist es wichtig, dem Thema mentale Gesundheit eine Sprache zu geben und eine Enttabuisierung zu erreichen." Wie wichtig solche Präventionsprojekte sind, verdeutlichen Studien: Demnach befindet sich die Zahl der psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen auch nach der Corona-Pandemie weiter auf hohem Niveau. Laut einem Bericht der Krankenkasse DAK etwa, ist die Zahl der neu diagnostizierten Depressionen, Angst- und Essstörungen unter jugendlichen Mädchen immer noch deutlich erhöht.
Corona-Nachwirkungen sind spürbar
Dass es vielen Schülerinnen und Schülern psychisch nicht gut geht, kann auch der Schulleiter des Gymnasiums in Hamburg, Arne Wolter, bestätigen. Er habe einen erheblichen Anstieg der Beratungsfälle erlebt und inzwischen auch der Nachteilsausgleiche. Hier gebe es eine Verdoppelung der Fallzahlen bei gleichbleibendem Niveau. Für Arne Wolter kommen aber noch andere Themen hinzu: "Es ist auch ein Phänomen des - häufig selbstgemachten - Leistungsdrucks, der depressive Verstimmungen verursachen kann. Es sind aber auch Kontaktängste. Vieles resultiert daraus, dass manche Schüler während Corona gelernt haben, im eigenen Takt zu lernen und jetzt wieder in der Kohorte gemeinsam lernen müssen."
Projekt fördert mehr Selbstfürsorge
Beim Training in der Klasse sind die Neunt- und Zehntklässler mittlerweile zu Atemübungen übergegangen. Makka Dzumaeva fragt: "Und was merkt ihr jetzt im Körper?" Die Antwort ist einhellig: "Entspannung!" Neben Stressbewältigung stehen noch viele andere Themen auf dem Lehrplan. Etwa, wie man die eigenen Gefühle besser versteht, negative Gedankenschleifen durchbricht und die eigenen Stärken findet. Den Schülerinnen und Schülern gefällt das Angebot gut, auch der 17-jährigen Mala: "Mir hilft die Mental Health Coach AG sehr, um einfach ein bisschen mehr auf mich selbst zu schauen und mich zu fragen, was ich eigentlich tun kann, damit es mir selber ein bisschen besser geht." Wie lange die Schüler noch von dem Modellprojekt profitieren können, ist unklar. Das Bundesfamilienministerium finanziert es zunächst nur bis Ende des Jahres. So oder so wollen die Neunt- und Zehntklässler ihr neues Wissen auch an jüngere Schüler*innen weitergeben - damit sie besser auf sich achtgeben können und sich im Ernstfall schnell Hilfe holen.