Nach Anschlag in Solingen: Straßenfest in Hamburg abgesagt
Aus Furcht vor Nachahmern des tödlichen Anschlags von Solingen ist ein im Hamburger Grindelviertel geplantes Straßenfest abgesagt worden.
"Wir sind leider zu dem Entschluss gekommen, dass wir trotz Security und Unterstützung der Polizei keine Sicherheit garantieren können", teilte Jimmy Blum, Vorsitzender des Grindel e.V., am Mittwoch auf der Facebook-Seite des Vereins mit. Dass bei dem Straßenfest wie in Solingen die Vielfalt gefeiert werden sollte, würde das Risiko von Nachahmern sehr erhöhen. Zuerst hatte das "Hamburger Abendblatt" darüber berichtet.
Die Organisatoren hätten sich mit der Entscheidung schwergetan, sagte Blum im Gespräch mit NDR 90,3. Seit dem Anschlag in Solingen habe der Vorstand des Vereins mehrere Gespräche geführt, auch mit der Polizei. Von deren Seite wurde Unterstützung zusagt. Dennoch entschied der Verein, das Straßenfest in der Hartungstraße abzusagen.
Grindelfest sollte Mitte September stattfinden
Grindel e.V. war eigenen Angaben zufolge von der Bezirksversammlung Eimsbüttel damit beauftragt worden, in diesem Jahr gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde und in Kooperation mit Kultureinrichtungen ein Fest der Vielfalt mit jüdischer Lebenskultur zu organisieren. Das Grindelfest sollte unter dem Motto "Kultur. Jüdisch. Bunt" vom 13. bis 15. September stattfinden.
"Armutszeugnis" und "Alarmsignal" - Politiker reagieren
Politikerinnen und Politiker aus Hamburg bedauerten die Absage. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Till Steffen, sagte: "In Zukunft müssen wir es schaffen, solche Veranstaltungen wieder durchzuführen. Das Ziel muss sein: Wir lassen uns nicht einschüchtern von den Islamisten und wir leben unser vielfältiges Leben." Anke Frieling von der CDU-Bürgerschaftsfraktion sprach von einem "Armutszeugnis". Die Aussage "Kein Platz für Hass und Antisemitismus in unserer Stadt" müsse auch der Realität standhalten, so Frieling. Wenn öffentliches jüdisches Leben in Hamburg nicht mehr stattfinden könne, sei das "ein Alarmsignal", sagte die Landesvorsitzende der FDP, Sonja Jacobsen. "Der gewaltbereite Islamismus ist die stärkste Bedrohung unserer freien Gesellschaft." Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bezirk Eimsbüttel, Gabor Gottlieb, erklärte zur Absage: "Wir lassen uns weder unsere Feste noch den öffentlichen Raum nehmen. Wer glaubt, unsere Lebensweise durch Angst und Schrecken einschränken zu können, irrt. Unsere Stadt ist geprägt von Vielfalt, Respekt und dem Miteinander unterschiedlichster Kulturen und Lebensweisen. Diese Werte wollen wir auch in Zukunft gemeinsam feiern und leben."
Grindelviertel war Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg
Das Grindelviertel war vor dem Holocaust Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg. Die unter der Nazi-Herrschaft zerstörte Bornplatzsynagoge - bei ihrer Einweihung 1906 das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland - soll dort wiederaufgebaut werden.
Drei Tote bei Stadtfest in Solingen
Bei dem mutmaßlichen islamistischen Terroranschlag in Solingen waren am vergangenen Freitag drei Menschen bei einem Stadtfest mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt worden. Mutmaßlicher Täter ist ein 26 Jahre alter Syrer, der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).