Ole Wackermann kommentiert die Warnstreiks in Hamburg. © picture alliance / dpa Foto: Christian Charisius

Kommentar: Worauf ver.di bei den Warnstreiks achten sollte

Stand: 18.02.2023 08:40 Uhr

Die HADAG-Fähren konnten am Donnerstag nicht ablegen, am Flughafen wurde am Freitag gestreikt und am Sonnabend bleiben die Recyclinghöfe geschlossen: In all diesen Bereichen hat die Gewerkschaft ver.di in dieser Woche zum Warnstreik aufgerufen, um durchzusetzen, dass die Beschäftigten wegen der hohen Inflation deutlich mehr Geld bekommen. Dabei sollte es der Gewerkschaft nicht nur um mehr Geld, sondern auch mehr Gerechtigkeit gehen, meint Ole Wackermann in seinem Kommentar.

von Ole Wackermann

Der komplette Hamburger Flughafen lahmgelegt, genauso wie der Fährverkehr der HADAG auf der Elbe. Die Agentur für Arbeit bestreikt und die Stadtreinigung- das ist nur die Warnstreik-Bilanz dieser Woche.

Gewerkschaft geht geschickt vor

Die Gewerkschaft ver.di zeigt, dass sie kämpfen kann und kämpfen wird für ihre Forderungen. Und sie zeigt nebenbei, in wie vielen Bereichen sie in Hamburg Beschäftigte vertritt und wo sie überall mit am Verhandlungstisch sitzt. Und die Gewerkschaft nutzt das geschickt, indem sie Beschäftigte aus verschiedenen Branchen gleichzeitig zum Streik aufruft.

Ein Beispiel aus dieser Woche: Warnstreiks im öffentlichen Dienst und gleichzeitig streiken die Beschäftigten der HADAG-Hafenfähren - obwohl die HADAG nicht zum öffentlichen Dienst gehört, sondern als Tochterunternehmen zur Hochbahn. Und obwohl es bei der Hochbahn einen Tag vor dem Streik sogar eine Einigung gab. Normalerweise wird der Tarifabschluss für die HADAG übernommen. Wohl nicht dieses Mal, sagt ver.di.

Ver.di hat die Marktwirtschaft verstanden

Die Gewerkschaft will mehr. Warum eigentlich? Die Menschen, die bei der HADAG arbeiten, zahlen genauso viel im Supermarkt oder bei der Heizrechnung wie die Hochbahn-Beschäftigten. Ver.di zeigt an dieser Stelle, dass die Gewerkschaft auch die Marktwirtschaft verstanden hat. Der HADAG laufen laut ver.di die Fachkräfte weg, knapp die Hälfte der Belegschaft ist zu anderen Unternehmen im Hafen gewechselt, weil die besser zahlen. Um das zu stoppen, fordert ver.di ein Lohnplus von 700 Euro.

Darin steckt eine gute Nachricht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine begehrte Qualifikation haben: Sie haben jetzt oft gute Chancen, ihre Interessen durchzusetzen.

10,5 Prozent mehr ist für viele immer noch zu wenig

Aber was ist mit den anderen? 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr, fordert ver.di für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das ist nicht zu viel, gerade für Menschen, die vielleicht 1.200 Euro netto verdienen und 800 Euro für die Miete zahlen. Sie bräuchten eigentlich noch mehr. Aber das gilt nicht unbedingt für Menschen im oberen Bereich der Gehaltstabelle.

Ich fände es gut, wenn ver.di sich besonders stark für die einsetzen würde, die am dringendsten mehr Geld brauchen - und darauf in den aktuellen Tarifrunden besonders achtet. Das würde zeigen, dass ver.di nicht nur die Marktwirtschaft, sondern auch den Kampf für Gerechtigkeit und Zusammenhalt verstanden hat.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Der Hamburg-Kommentar | 18.02.2023 | 08:40 Uhr

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