Kommentar: Die Grünen sollten sich nicht allzu sicher fühlen
Die Hamburger Grünen treffen sich am Sonnabend zu einer Mitgliederversammlung, bei der es eigentlich um ihr künftiges Regierungsprogramm gehen sollte. Nun wird aber wohl auch über den Rücktritt des Bundesvorstands und den Austritt von Teilen der Grünen Jugend diskutiert. Eine Debatte, die auch im Hamburger Landesverband dringend notwendig ist, meint Oliver Wutke in seinem Kommentar.
Recht zu haben oder alles richtig zu machen, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Bei den Grünen kann man das gerade gut beobachten. Denn sie haben ja recht: Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun. Hitzewellen und Überflutungen sorgen schon jetzt für Schäden und Kosten. Wir müssen auf Humanität und Menschenrechte achten, gerade wenn es mal schwierig wird und sehr viele Menschen gleichzeitig um Schutz bei uns bitten. Und natürlich darf niemand diskriminiert werden, nur weil er oder sie anders aussieht oder anders lebt als eine Mehrheit hier im Land. Das sind alles hehre Ziele und ich bin ziemlich sicher, dass eine große Mehrheit sie unterschreiben würde. Die Grünen aber werden für solche Ziele an der Wahlurne gerade drastisch abgestraft.
Keine Partei wird so massiv mit Häme überzogen
Manche in der Partei machen dafür eine Kampagne verantwortlich. Und das ist zumindest ein Teil der Wahrheit. Keine andere Partei in Deutschland wird derzeit so massiv mit Häme, Hass und Hetze überzogen. Das wird nachweislich befeuert von pro-russischen Influencern und genüsslich ausgeschlachtet von der politischen Konkurrenz. Gerade auch von FDP oder CDU, die im Bund oder in Ländern mit den Grünen zusammen regieren.
Grüne bieten viel Angriffsfläche
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Grünen bieten sehr viel Angriffsfläche. Sie formulieren hochgesteckte Ziele und bieten dafür oft technokratische Lösungen an, bei denen man am richtigen Verhältnis von Nutzen und Lasten zweifeln kann. Im Bund ist dafür Robert Habecks Heizungsgesetz zum Symbol geworden. Hier in Hamburg fällt mir das Beispiel Bewohnerparken ein. Es ist ein völlig berechtigtes Anliegen, Menschen in Auto-verstopften Quartieren entlasten zu wollen. Aber gelingt das mit diesen Parkzonen wirklich? Stößt es nicht auch viele andere vor den Kopf - Handwerkerinnen und Handwerker etwa? Wiegt der Nutzen am Ende wirklich die Kosten und die bürokratische Rennerei auf?
Wähler suchen Richtigmacher
Allzu oft haben Politikerinnen und Politiker der Grünen solche Fragen leichtfertig weggewischt, dort, wo sie Mehrheiten hatten - auch hier in Hamburg. Und so kommt es, dass zum Beispiel im Bezirk Hamburg-Nord die anderen Parteien jetzt lieber an einem Vierer-Bündnis schmieden, als sich mit den Grünen zusammen zu tun, die dort immer noch stärkste Kraft sind. Keine Frage: Im Hamburger Großstadtmilieu sind die Grünen eine starke Volkspartei. Trotzdem gehörten sie auch hier bei der Bezirks- und Europawahlen zu den größten Verlierern und sie sollten sich mit Blick auf die kommende Bürgerschaftswahl nicht allzu sicher fühlen. Denn auch die Wähler hier in Hamburg suchen keine Rechthaber, sondern Richtigmacher. Und daran müssen die Grünen noch arbeiten.