Hohe Schaar: Autobahn A26-Ost oder Zentrum für Erneuerbare Energien?
Die neue Autobahn A26-Ost ist eines der größten Bauvorhaben in Hamburg. Sie soll die A7 und die A1 im Süden der Hansestadt verbinden. Doch der Streit um das Projekt geht weiter. Wird die Autobahn tatsächlich gebaut?
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (beide SPD) halten an dem Projekt fest. Das regierende rot-grüne Bündnis hatte sich im Koalitionsvertrag von 2020 zu dem seit mehr als 15 Jahren beabsichtigten Autobahn-Neubau bekannt. Geplant wird die zehn Kilometer lange Trasse vom Bund, der auch die Kosten von 2,4 Millarden Euro - Stand heute - tragen müsste. Zu einem Baubeginnn wird es jedoch in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen - das darf man getrost sowohl auf Hamburg als auch auf den Bund beziehen.
Fraktionschef der Grünen will Projekt "bleiben lassen"
Nun fordert der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dominik Lorenzen, im Interview mit dem Hamburg Journal im NDR Fernsehen den Abschied vom Projekt A26-Ost. "Bleiben lassen" lautet sein Appell. Bund und Hamburg sollten sich auf die Erneuerung der nördlichen Hafenroute mit der Köhlbrandquerung konzentrieren, so Lorenzen. Die Köhlbrandbrücke ist bekanntlich baufällig.
Lorenzen sieht Nutzungskonflikt
Als wichtigen Grund für den Stopp des Autobahnprojekts nennt Lorenzen einen Nutzungskonflikt auf der Hohen Schaar, dem westlichen Teil der Insel Wilhelmsburg, über die die Trasse der A26-Ost verlaufen soll. Jahrzehntelang standen dort Tanklager von Shell. Im Zuge der Energiewende soll dort ein Zentrum für die neue Wasserstoffwirtschaft entstehen, der sogenannte Sustainable Energy Hub. Die Autobahn würde die Entwicklung des neuen Industriegeländes hemmen, betont Lorenzen. "Das Wachstum dieses Industriegebietes mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien und Wasserstoffwirtschaft wäre nach oben begrenzt in seiner Entwicklung, weil eine Autobahn natürlich sehr viel Fläche für sich einnimmt," meint der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Die Flächen würden jedoch für die neue Wasserstoffwirtschaft gebraucht. Das habe beim ursprünglichen Entwurf für die A26-Ost keine Rolle gespielt, aber dieser Fakt sei nun neu hinzugekommen. Das bedeute, "dass man diese Autobahn an dieser Stelle aus meiner Sicht nicht bauen sollte", folgert Lorenzen.
Energieunternehmen halten sich bedeckt
Schließen sich Autobahn und Energie-Hub gegenseitig aus? Die beteiligten Energieunternehmen halten sich bedeckt und meiden eine klare Stellungnahme. Die Firmen Mabanaft und Air Products planen an der Hohen Schaar einen großen Importterminal für sogenannte Grüne Energie sowie Anlagen etwa zur Umwandlung von Ammoniak in Wasserstoff. Nach Recherchen des NDR sollen drei Ausbaustufen geplant sein. Nur die erste, kleinste Ausbaustufe soll demnach mit der Autobahntrasse vereinbar sein.
DEGES: "Keine unüberwindlichen Konflikte"
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde ließ eine diesbezügliche Frage unbeantwortet, äußerte jedoch zu einem früheren Zeitpunkt, dass beide Vorhaben realisierbar seien. Hartmut Flohr, Projektleiter der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), die verantwortlich für den Trassenabschnitt auf der Hohen Schaar ist, betont im Interview mit dem NDR, es gebe "keine unüberwindlichen Konflikte".
Welche Auswirkungen hat "gigantische Baustelle"?
Ein spezielles Problem wirft die Baustelle auf, die für die A26-Ost nötig wäre. Diese nähme eine enorme Fläche in Anspruch, größer als die ursprünglich eingeplante, wie die DEGES einräumt. Grünen-Fraktionschef Lorenzen spricht von einer "gigantischen Baustelle". Diese werde etwa zu Verkehrssperrungen führen und "für einen langen Zeitraum unsere Wirtschaft hemmen".
Bedenken der Umweltbehörde
Bedenken meldet nach Recherchen des NDR nun auch die Hamburger Umweltbehörde an. Die Autobahnbaustelle müsste auf dem Shell-Gelände eingerichtet werden. Dort seien jedoch verschiedene gefährliche Schadstoffe - unter anderem aus der Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien - nachgewiesen worden. Diese Stoffe werden nicht auf natürliche Weise abgebaut, daher spricht man von sogenannten Ewigkeitschemikalien. Würden schwere Baumaschinen auf dem Gelände tätig, bestünde die Gefahr, dass die Giftstoffe ins Grundwasser gedrückt würden, warnt die Umweltbehörde in einer Stellungnahme, die dem NDR vorliegt. Das Gelände müsse zunächst gründlich saniert werden, was zeitaufwendig sei, heißt es weiter. Daher stimme die Umweltbehörde dem derzeitigen Antrag auf Planfeststellung für den über die Hohe Schaar laufenden mittleren Abschnitt der A26-Ost nicht zu. Diese Botschaft ging an die Wirtschaftsbehörde, die ja eigentlich dem Bund helfen will, den Bau der Autobahn voranzutreiben.
Von der Wirtschaftsbehörde kam auch zu diesem Punkt keine aktuelle Stellungnahme. Die Umweltbehörde bestätigt auf Anfrage, dass sie dem Straßenbauvorhaben auf der Hohen Schaar bislang nicht zugestimmt habe, weil zunächst umfassend saniert werden müsse. Eine Sprecherin ergänzt: "Eine enge zeitliche und technische Verzahnung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen mit den Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der A26-Ost wird angestrebt."
Klagen von Umweltverbänden
DEGES-Projektleiter Flohr sagt, er hoffe, dass es im kommenden Jahr zu einer Planfeststellung für den Mittelteil der Trasse kommen werde. Eine solche gibt es bislang lediglich für den westlichen der insgesamt drei Trassenabschnitte. Dagegen haben Umweltverbände geklagt.
Finanzierung durch den Bund ungewiss
Hinter den Kulissen gibt es also viel Streit um die A26-Ost. Der könnte sich als hinfällig erweisen, wenn der Neubau am Geld- und Arbeitskräftemangel scheitern sollte. Das Geld ist bekanntlich knapp im Bundeshaushalt. Und wie die NDR Sendung Panorama 3 im Oktober dieses Jahres berichtete, zweifelt selbst die oberste Haushaltspolitikerin der SPD daran, dass der Bund im Hamburger Süden zwei Elbquerungen finanzieren wird, die Erneuerung der Route über den Köhlbrand und zwei Kilometer weiter südlich die A26-Ost.
A26-Ost soll A7 und A1 verbinden
Die A26-Ost soll als "Hafenpassage" die aus Niedersachsen kommende A26-West verlängern und bei Hamburg-Stillhorn an die A1 angeschlossen werden. Zu dem Projekt gehören eine neue Brücke über die Süderelbe und ein 1,5 Kilometer langer Lärmschutztunnel im Stadtteil Wilhelmsburg. Das Projekt wird seit 2008 geplant, 2031 soll die sogenannte Hafenpassage fertig sein. Die Bauarbeiten sollen früheren Angaben zufolge 2025 in Hamburg beginnen.