Die Geschichte der Nedlloyd Asia
Es ist einer der härtesten Arbeitsplätze der Welt: Mit bloßen Händen und ohne Schutzkleidung zerlegen Arbeiter an den Stränden Bangladeschs alte Containerschiffe. Viele von ihnen sollen Kinder sein. Regelmäßig sterben sie bei Explosionen oder werden von tonnenschweren Schiffsteilen erschlagen. Schadstoffe wie Schweröl, Blei oder Asbest bedrohen nicht nur die Gesundheit der Arbeiter, sondern fließen ungefiltert ins Meer. In den vergangenen Jahren sind auch dutzende Schiffe aus Norddeutschland hier abgewrackt worden. Wir wollen ein solches Schiff in den Abwrackwerften von Chittagong in Bangladesch aufspüren. Dabei will uns der lokale Aktivist Muhammed Ali Shahin helfen. Für ihn eine lebensgefährliche Aufgabe. Die Abwrackunternehmer verdienen Millionen mit der Ausbeutung von Umwelt und Arbeitern. Um das Geschäft zu schützen, verbarrikadieren sie ihre Werften hinter Mauern und Stacheldraht, lassen sie von bewaffneten Wachleuten und Schlägerbanden schützen. Immer wieder werden Aktivisten bedroht oder entführt. Auch auf Shahin ist schon geschossen worden.
Abwracken unter Missachtung von Arbeits- und Umweltbestimmungen
Mit Hilfe von Shahin gelingt es uns, auf das Gelände einer Werft zu gelangen. Wir entdecken ein Schiff, das bis vor einigen Monaten von einer Hamburger Reederei betrieben worden sein soll. Rumpf und Bug sind beinahe schon komplett zerlegt. Um sicher zu sein, dass es das richtige Schiff ist, müssen wir aber noch näher an das Schiff und den Namen filmen. Bei Ebbe liegen die Schiffe auf dem Trockenen, doch es ist Flut. Bei starkem Wellengang besteigen wir ein wackliges Motorboot und nähern uns langsam dem fast 300 Meter langen Schiff. Noch ist unklar, ob uns das Filmen gelingt, häufig lassen die Schiffseigner die Namen überpinseln, um nicht mit den fragwürdigen Abwrackbedingungen in Verbindung gebracht zu werden. Bei früheren Einsätzen ist Shahin auch schon von Sicherheitsleuten auf den Schiffen mit Steinen beworfen worden. Neben dem Ozeanriesen fühlen wir uns winzig klein. Und plötzlich ist Shahin ganz aufgeregt: "Schau da, da ist der Name." Deutlich erkennbar steht an der Brücke des Schiffs der Name geschrieben: "Cashel". Wer ist verantwortlich dafür, dass das Schiff hier abgewrackt wird, unter Missachtung von Arbeits- und Umweltbestimmungen? Und wer profitiert davon?
Lassen auch Hamburger Unternehmer hier abwracken?
Wir finden heraus, dass die "Cashel" jahrelange einen anderen Namen getragen hatte. Das Schiff hieß "Nedlloyd Asia". Laut einer uns vorliegenden Liste gehörte das Schiff bis wenige Wochen vor seiner Ankunft im Chittagong zum MPC Flottenfonds III. Kontrolliert wird der Fonds vom Hamburger Unternehmen MPC Münchmeyer Petersen Capital. Neben der "Nedlloyd Asia" gehörten bis Ende 2013 weitere 13 Schiffe zu dem Fonds, den MPC bereits 2004 aufgelegt und publikumswirksam als "Star Flotte" vermarktet hatte. Die "Nedlloyd Asia" wurde im Emissionsprospekt als "Asia Star" geführt. Rund 7.800 Anleger sollen sich mit rund 270 Millionen US-Dollar Eigenkapital an dem Fonds beteiligt haben. Mit diesem Geld und mit Bankkrediten wurden die 14 Schiffe offenbar angeschafft. MPC bestätigt diese Zahlen nicht und beantwortet auch keine weiteren Fragen.
Während der gesamten Laufzeit des Fonds bis 2016 waren alle 14 Schiffe ursprünglich für die Reederei P&O Nedlloyd im Einsatz. P&O Nedlloyd wurde 2005 von der dänischen Reederei Maersk übernommen. Seitdem war der Rumpf der Nedlloyd Asia blau gestrichen und trug den Schriftzug "Maersk".
MPC weist jede Verantwortung von sich
Maersk hatte der Fondgeschäftsführung bei MPC im Übrigen nahegelegt, die Schiffe auf nachhaltige Weise abzuwracken. "Es sind ihre Schiffe und es ist deshalb deren Verantwortung die Schiffe auf sichere und umweltfreundliche Art und Weise zu recyceln", meint Maersk Line-Sprecher Storgaard. MPC selbst weist jede Verantwortung zurück. Der Käufer der Schiffe trage die Verantwortung fürs Abwracken. Den Namen des Käufers der "Nedlloyd Asia" nennt MPC allerdings nicht. Der neue Eigentümer war mutmaßlich ein sogenannter Cashbuyer, der sich im Grunde nur noch um die Finanzierung und die Formalitäten des Abwrackens gekümmert hat.