Welt der Musik

Aktivurlaub im Amateurorchester - erst Beethoven, dann Baden

Sonntag, 14. Juli 2024, 18:00 bis 19:00 Uhr

Bundesamateurorchester © BDLO | Angelika Luft
Bundesamateurorchester © BDLO | Angelika Luft
Orchesterfahrt des Bundesamateurorchesters

"Man fliegt einfach und die Musik trägt einen", sagt Amateurgeigerin Geigerin Veronika Hutarová aus Prag. "Du bist wie im Himmel, wenn du zusammen Kammermusik spielst. Das hat uns so erfüllt, dass die Batterien für die nächsten Monate einfach wieder voll sind", sagt Gundula Hebisch, die bis zu ihrer Pensionierung eine Geburtsklinik in der Schweiz leitete. Musik kann glücklich machen, erleben Amateurmusiker. Dafür lohnt es sich, ein Leben lang zu üben. Sogar im Urlaub. Symphonic Holidays ist ein kleiner Reiseveranstalter, der jährlich vier Orchesterferien in Südfrankreich und auf Sizilien anbietet. Instrumentalisten aus der ganzen Welt nehmen daran teil. Organisator Jonas Hees kann nicht beobachten, dass das Interesse an klassischer Musik als Amateurmusiker nachlassen würde.

Stirbt die klassische Musikszene?

Statistiken und Zukunftsforscher, Musikkritiker und Musikmanager beklagen zwar seit vielen Jahren das Sterben der klassischen Musikszene und dessen alterndes Publikum. Junges Publikum wachse nicht in gleichem Maße nach. 2021 hingegen hat der Deutsche Musikrat eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass in Deutschland knapp 19 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Musik macht. Und diese Zahl ist seit 20 Jahren recht konstant geblieben. "Es ist eine Art Sucht, im Orchester zu spielen", sagt die pensionierte Apothekerin Vera Jacobsen aus Lörrach.

Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester

Zu diesem Dachverband, der heute Bundesverband Amateurmusik Sinfonie- und Kammerorchester heißt, gehören knapp 900 Amateurorchester mit 34.000 Musizierenden. Netzwerken, Workshops für Dirigenten, Orchesterfreizeiten, Fördergelder an Land ziehen, Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstsein schärfen für die Bedeutung von Musik in unserer Gesellschaft – es gibt vieles, woran der Bundesverband deutschlandweit arbeitet. Und zwar seit 100 Jahren.

Musizieren vor Ort und im Urlaub

Laienorchester haben in Deutschland eine lange Tradition. In Stuttgart feiert der Liederkranz 2024 sein 200. Gründungsjubiläum. So traditionell der Name klingt - zum Verein gehören ein moderner Konzertchor, ein Vokalensemble und ein veritables Sinfonieorchester. Manchen Amateuren reicht es nicht, regelmäßig an ihrem Lebensort zu musizieren. Sie gehen mit ihren Instrumenten und ihrer Leidenschaft sogar in den Urlaub. Das jeweilige Niveau der Orchester, in denen man Ferien machen kann, ist dabei sehr unterschiedlich. Aber auch die dazugehörige Freizeitgestaltung.

Unterschiedlichste Niveaus der Amateurorchester

Wer mit der Norddeutschen Orchesterakademie in der Elbphilharmonie in Hamburg oder in der Berliner Philharmonie mitspielen will, muss sehr gut sein und ein Bewerbungsvideo einreichen. In dem sehr großen Sinfonieorchester spielen Profis, Musikstudenten und Laien zusammen. Beim Internationalen Arbeitskreis für Musik gibt es Familienfreizeiten. Beim Gurgl Musikforum geht es entspannter zu: Da kann man in der Freizeit wandern, im österreichischen Ötztal. Beim Gstaad Festival Amateur Orchestra spielt man mit Berufsmusikern zusammen und braucht auch die nötigen Schweizer Franken.

Amateurmusiker: ein Geschenk für die Gesellschaft

Wer in einem Orchester mitspielt, muss sich integrieren und mit offenen Ohren und Augen die Mitmusizierenden wahrnehmen, denn nur so kann man einen gemeinsamen Klang entwickeln. Das bedeutet, jede und jeder muss sich ständig selbst kontrollieren und verbessern, auf die Anweisungen der Dirigentin, des Dirigenten reagieren, sich bemühen ein produktiver Teil eines großen Ganzen zu sein. Das sind genau jene Qualitäten, die auch eine funktionierende Gesellschaft am Leben erhält. Amateurmusiker sind also aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben beteiligt, stärken den sozialen Zusammenhalt, engagieren sich ehrenamtlich, haben soziales Miteinander im Blick, wirken inklusiv über Alters- und soziale Grenzen hinweg. Man könnte auch sagen: Amateurmusiker sind ein Geschenk für die Gesellschaft.

Musik tut gut

Doch nicht nur das - Hobbymusikerinnen und -musiker tun sich auch selbst etwas Gutes. Das fängt an bei den musizierenden Kindern, die sich besser konzentrieren können, weniger Rechtschreibfehler im Diktat machen und besser vorlesen können. Wer Musik macht, bei dem wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Wer im Ensemble musiziert, hat auch ein beglückendes Gemeinschaftserlebnis, es wird das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet. Außerdem beugt Musizieren Demenz vor. Nicht zu vergessen: Wer schwere Orchesterstellen übt, erbringt eine technische und mentale Höchstleistung. Wobei es einen sehr großen Unterschied zur Höchstleistung im Sport gibt. Im Sport muss es immer einen Verlierer geben. Im Orchester-Zusammenspiel nicht. Die Deutschlehrerin Jana Kucerova aus Prag sagt: "Wir Amateurmusiker machen ja nicht nur gemeinsam Musik, wir haben auch oft den gleichen Gesprächsstoff, die gleiche Einstellung zum Leben - das bringt uns sehr nah zueinander". "Musik ist eine Sprache, die Grenzen niederreißt", sagt die Ghostwriterin Gillian Stern aus London. Für sie ist es besonders wichtig, in einem internationalen Orchester mitzuspielen seit sie "durch den Brexit von Europa getrennt ist".

Eine Sendung von Elke Kamprad

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