NDR Kultur Neo
Sonntag, 26. November 2023, 22:00 bis
00:00 Uhr
Popmusik aus Westafrika ist an der Spitze des globalen Pop. In dieser Ausgabe von NDR Kultur Neo beschäftigen sich Musikjournalist Victor Efevberha und Moderatorin Charlotte Oelschlegel mit ihrer Geschichte. Das Künstler aus Ghana oder Nigeria tonangebend sind, ist keine Selbstverständlichkeit.
von Victor Efevberha
Wir schreiben das Jahr 1957. Ghana erklärt als erste ehemalige Kolonie Westafrikas seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Der charismatische Anführer dieser Unabhängigkeitsbewegung ist der Sozialist Kwame Nkrumah, der auch der erste Präsident des freien Ghanas wird. Um seine Botschaft, im Vorfeld der Loslösung von der britischen Krone, zu unterstützen, setzt Nkrumah auf Musik. Um genauer zu sein auf Highlife Musik. Bei seinen öffentlichen Auftritten wird der spätere Präsident Ghanas stets von einer Highlife Band begleitet. Nach der Machtübernahme erklärt Nkrumah Highlife sogar zu Nationalkultur Ghanas.
E.T. Mensah&The Tempos
Highlife ist Tanzmusik und mischt westafrikanische Klänge sowie Rhythmen, mit Blechblasinstrumenten aus dem Westen. Die Marschmusiktradtion haben die britischen Besatzer in Ghana eingeführt und die lokalen Musiker und Musikerinnen haben sich den Klang aus Europa angeeignet. So entstand das tonangebende Gerne Westafrikas der 1950er und 1960er Jahre. Am populärsten war der Künstler E.T. Mensah und seine Band The Tempos. Gerade seine ersten Lieder waren Relikte für den afrikanischen Befreiungskampfs, so hießen die Stücke etwa "Ghana Freedom" oder "Ghana-Guinea-Mali", in Anlehnung an benachbarte Staaten, die auch um die Unabhängigkeit ringen.
In den strahlenden Nächten von Accra nach der Unabhängigkeit, durchzog der Sound die Nachtclubs die Hauptstadt. Die Melodien waren für die Oberschicht bestimmt, während die Ärmeren draußen lauschten. Diese Musik wurde "Highlife" genannt, ein Begriff, den die Zaungäste prägten.
Afrobeat (ohne s)
In den späten 1960er Jahren entwickelte sich in Nigeria, das 1960 unabhängig wurde, der Afrobeat. Als dessen Begründer gilt der Schlagzeuger Tony Allen. Weltberühmt wurde diese Musikrichtung aber durch Fela Kuti, dem Aushängeschild von Afrobeat. Fela Kuti war eine charismatische Lichtgestalt, die bis heute nachwirkt. Über ihn gibt es viele Geschichten, die ihn nicht immer im besten Licht stehen lassen. Zum Beispiel heiratete er seine 27 Ehefrauen gleichzeitig auf einer Massenhochzeit. Eine langer Wegbegleiter nannte ihn "einen Tornado von einem Mann". Und, so spielte er auch seine Musik und begeisterte ein weltweites Publikum. Tony Allen war Mitglied in Kutis Band Africa 70. Der Afrobeat wurde auch zum Soundtrack der weltweiten Black Power Bewegung, weil er viele politische Botschaften enthielt. Deswegen wurde er auch ein Dorn im Auge der nigerianischen Regierung der 1970er Jahre. Die Polizei stürmte regelmäßig die Konzerte Kutis.
Afro-Pop trifft auf Euro-Disco
Nachdem der Kwame Nkrumah 1966 aus seinem Amt geputscht wurde, wehte politisch ein neuer Wind in Ghana. Das bekamen auch die Musiker und Musikerinnen zu spüren. Highlife galt nun als Relikt des alten Machthabers, das beseitigt werden musste. Über die Jahre stieg der Druck auf Bands. Es wurden nächtliche Ausgangssperren verhängt, Steuern auf Instrumente wurden erhöht, dass sie kaum bezahlbar waren. Anfang der 1980er verließ eine Welle ghanaischer Musiker das Land und gingen ins Exil, auch nach Deutschland. Mit dem Highlife im Schlepptau trafen sie auf den maschinellen Euro-Disco Sound. Die Melange dieser Musikstile wurde als Weiterentwicklung des klassischen Highlifes gesehen, weshalb er seither auch Super-Highlife hieß.
Popmacht Westafrika
Die Genres aus Ghana und Nigeria bildeten die Grundlage für die heutigen Afrobeats (mit s). Der Begriff Afrobeats entstand in der Radiosendung des britischen DJs DJ Abrantee, der um 2006 herum einen Begriff gesucht hat, um den Afro-Pop Sound zu benennen. So kam er auf Afrobeats. Heutzutage ist Popmusik aus Westafrika an der Spitze des weltweiten Pop. Künstler wie die Nigerianer WizKid oder Burna Boy füllen Stadien und Arenen. In Afrika, Europa und den USA. Im Sommer dieses Jahres spielte Burna Boy ein Konzert im Citi Field, einem Baseballstadion in New York. Mit 41.000 Zuschauern war das Konzert ausverkauft.
Afro Soul made in Hamburg und Ghana
Der Aufstieg westafrikanischer Popmusik führt auch zu neuen Kollaborationen afrikanischer und europäischer Musiker. So taten sich 2020 der Hamburger Carsten Meyer (Erobique) und die ghanaische Künstlerin Florence Adooni aus Ghana zusammen. Erobique, bekannt für seinen Improvisationsgeist und seine unwiderstehlichen Disco-Hymnen, besuchte den Schlagzeuger und Produzenten Max Weissenfeldt in seinen Joy Sound Studios in Ghana. Erobique tat sich sofort mit den lokalen Musikern und Musikerinnn wie Florence Adooni zusammen, um einige Songs aufzunehmen. Zusammen schufen die beiden den Ohrwurm "Mam Tola", den Florence in ihrer Muttersprache Frafra singt. Das schunkelnde und swingende Ergebnis ist ein Beispiel für zeitgenössischen für Afro Soul.