NDR Elbphilharmonie Orchester
Freitag, 11. November 2022, 20:00 bis
22:00 Uhr
Was macht eigentlich den nationalen Charakter eines Werks aus? Wann sagen wir, ein Komponist schreibt finnische, spanische oder auch tschechische Musik? National geprägt kann man Kunstmusik zum Beispiel dann nennen, wenn sie Melodien oder typische Stilelemente aus der Volksmusik eines Landes enthält. Andererseits kann ein Komponist auch außermusikalische, für das Nationalgefühl bedeutsame Stoffe zum Thema machen: Friedrich Smetanas Zyklus Sinfonischer Dichtungen "Má vlast" ("Mein Vaterland") klingt in den Ohren heutiger Hörer eindeutig "tschechisch", obwohl die Musik selbst zunächst einmal nur wenig enthielt, was diese Bezeichnung rechtfertigte.
Von Böhmischen Burgen bis zu männermordenden Amazonen
![Pianist Kirill Gerstein leger gekleidet vor dem Stützpfeiler einer U-Bahn-Brücke Pianist Kirill Gerstein leger gekleidet vor dem Stützpfeiler einer U-Bahn-Brücke © Marco Borggreve Foto: Marco Borggreve](/kultur/sendungen/ndr_kultur_a_la_carte/gerstein112_v-contentgross.jpg)
Heute gilt Smetana als Schöpfer der tschechischen Nationalmusik; "Má vlast" ist längst so etwas wie das Nationalepos Böhmens. Mit NDR Kultur machen Sie Bekanntschaft mit der Geschichte der Prager Burg "Vyehrad", fahren auf der "Moldau" vorbei an einer ländlichen Bauernhochzeit und lernen den grausamen Mythos von der männermordenden Amazone "Sárka" kennen.
Die ewige Nummer zwei
Ta ta ta taaa - rums - ta ta ta taaa - rums - ta ta ta taa - rums rums rums rums rums rums". Wer erkennt die Melodie? Richtig, die ersten Takte aus "dem" Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll von Peter Tschaikowsky, vertraut auch aus der Fernsehreklame. Ein echter Jahrhunderthit. Und damit für den Urheber ein einziger Segen. Oder doch mehr ein Fluch? Sein zweites Klavierkonzert blieb immer im Schatten des übermächtigen Ersten. "Keine Melodie ließe sich in irgendeiner Hinsicht vergleichen mit den vollblutigen Themen des Ersten Klavierkonzerts", schrieb etwa der Tschaikowsky-Biograf Edward Garden über das Klavierkonzert G-Dur.
Zu lang und ohne nennenswerte Melodien
Nach der Uraufführung hagelte es Kritik: Die nahm Tschaikowsky ernst und veränderte sein G-Dur Konzert umfassend. Zahlreiche Passagen wurden neu instrumentiert oder ganz gestrichen. Später übergab er die weitere Überarbeitung an den Pianisten Alexander Siloti. Dieser kürzte wild drauf los, korrigierte Tempoangaben nach oben und gab diese knappere Form des Konzerts nach Tschaikowskys Tod als angeblich autorisierte Fassung heraus. Wie schon im Fall des Ersten Klavierkonzerts war das G-Dur-Werk daraufhin fast nur noch in der Siloti-Fassung zu hören. Der US-amerikanische Pianist Kirill Gerstein spielt jedoch Tschaikowskys Originalversion.
"Das Verhältnis von Klavier und Orchester ist ein Kampf zweier ebenbürtiger Kräfte… ein gewaltiges, an Farbenreichtum so unerschöpfliches Orchester, mit dem sich der kleine, unscheinbare, doch geistesstarke Gegner auseinandersetzt und auch siegt, wenn der Pianist begabt ist. In diesem Ringen steckt viel Poesie und eine Unmenge verführerischer Kombinationsmöglichkeiten", schrieb Peter Tschaikowsky 1879 an Nadeschda von Meck über die Gattung des Klavierkonzerts.
Eine Sendung von Stephan Sturm.
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