Ein Mann schreitet an den Werken des Künstlers Gerhard Richter in einer Ausstellung vorbei © Rolf Vennenbernd/dpa Foto: Rolf Vennenbernd
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Ein Mann schreitet an den Werken des Künstlers Gerhard Richter in einer Ausstellung vorbei © Rolf Vennenbernd/dpa Foto: Rolf Vennenbernd
AUDIO: Nachgedacht: Gerhard Richter und das Wesen der Bilder (4 Min)

Nachgedacht: Gerhard Richter und das Wesen der Bilder

Stand: 12.09.2024 15:12 Uhr

Gerade passiert in Düsseldorf etwas Spezielles: Werke von Gerhard Richter werden im Kunstpalast gezeigt, die nicht neu sind, aber in neuer Konstellation eine neue Wirkkraft entfalten.

von Claudia Christophersen

Gerhard Richter braucht lange für ein Bild, manchmal viele Jahre. Er wartet auf den richtigen Augenblick. In dem Film "Gerhard Richter Painting" sieht man den Künstler in seinem Atelier stehen, in der Hand hält er alte Familienfotos, die er anschaut, beiseitelegt, dann erneut in die Hand nimmt, sich fragt: behalten oder wegwerfen.

Auf die Frage, ob ihm die Fotos etwas sagen, antwortet er, das wolle er gerade herausfinden. Typisch Gerhard Richter. Der Maler sortiert Momente, Ausschnitte der Vergangenheit, lohnende oder weniger lohnende: Was war wann, was war wichtig, was war flüchtig? So geht er in den Dialog mit sich. Der Künstler wartet auf den Impulsmoment, auf das Bild, das in ihm arbeitet.

Die vielschichtige Wirklichkeit des Gerhard Richter

Gerhard Richter ist heute 92 Jahre alt, zählt zu den wichtigsten lebenden Künstlern, seine Bilder verkaufen sich zu Höchstpreisen, hängen in Museen in New York, Tokio, München, Hamburg oder Hannover. Mit verfremdeten Foto-Bildern wurde er berühmt, mit ihren Unschärfen, die sie mit einer vieldurchdachten Technik erzeugen.

Ebenso seine Rakel-Bilder, bei denen Richter das Gemalte mit einer großen Rakel, einem Spachtel überzieht, mit Farbe übermalt, um dann etwas wieder ganz Neues, Unerwartetes zu provozieren. Für den Künstler ist die Wirklichkeit immer fluide, vielschichtig. Den Gedanken hat Düsseldorf gerade aufgegriffen: Es gibt das Bekannte genauso wie das Unbekannte von Richter. Die bekannten Bilder, die in Museen und öffentlichen Ausstellungen zu sehen sind. Daneben die Bilder, die irgendwo in Häusern, Wohnzimmern an Wänden hängen, bei Menschen, die sich seine Kunst leisten können, bei Sammlern, die vom Schönen und Besonderen täglich und exklusiv umgeben werden wollen. Wer hat diese Bilder, wer besitzt sie? Wie sehen sie aus?

Sozialgeschichte ganz eigener Art

Claudia Christophersen © NDR Foto: Christian Spielmann
Gerhard Richters Bilder haben "etwas Wesenhaftes", findet Kolumnistin Claudia Christophersen.

Der Düsseldorfer Kunstpalast hat rund 130 Werke zusammengetragen und daraus eine Ausstellung gemacht: "Verborgene Schätze". Düsseldorfs Idee ist klug: Bilder an dem Ort zeigen, an dem sie zuerst gesammelt wurden, Düsseldorf und Umgebung. Zur Stadt am Rhein hat Richter eine Beziehung. Hierher kam er, als er 1961 aus dem Osten floh, studierte, jung war, seine Arbeiten halbwegs bezahlbar waren und die rheinischen Privatsammler begeisterten.

Diese unbekannten Gefährten lernen sich nun in neuer, ungeahnter Nachbarschaft kennen, als hätten sie ein eigenes Wesen. Da sind die abgemalten Zeitungsfotos, da sind bunte Blumen-Stillleben, da ist das Baby "Moritz", die Kuh, die Wolke. In dieser neuen Konstellation entfalten die Bilder eine auratische Sogwirkung, sie sind interessant, Menschen kommen ins Gespräch, stellen Fragen, staunen: "Guck mal hier", "Hast Du das gewusst", "Ach!". Man wittert beim Verborgenen eben immer auch ein Stück Geheimnis. Also machen Richters "verborgene Schätze" neugierig. Was verraten sie uns über den Sammler, die Zeit ihrer Entstehung, über Geschmack, Stimmung? Eine Sozialgeschichte ganz eigener Art.

Ich sage: Bilder können Wesen sein, haben zumindest etwas Wesenhaftes, weil sie berühren, beschäftigen, Gefühle auslösen, vorausgesetzt, sie sind gut. Das ist bei Richter unangefochten der Fall.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 13.09.2024 | 10:20 Uhr

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