Großes Geschäft: Liebeserklärung an die Toilette
Unsere Nachgedacht-Kolumnistin Lena Bodewein muss mal, ganz dringend, über etwas sehr Wichtiges reden: Am Sonntag wird der Welttag der Toilette begangen. Das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit.
"Ich muss mal", sagt sich so leicht. Für die allermeisten von uns, ist das, was dann folgt, ebenso einfach: Wir benutzen ein sauberes, funktionierendes, privates Klo. Haben Sie doch wahrscheinlich, oder?
Wir verlieren kein Wörtchen übers stille Örtchen: "Ich muss mal nach den Pferden sehen", "mir die Nase pudern", "für kleine Königstiger", "dahin, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht", "dem Ruf der Natur folgen" - lauter ausweichende Formulierungen. Es ist irgendwie peinlich, die Sache beim Namen zu nennen. Blödsinn!
Liebeserklärung an die Toilette
Eine Liebeserklärung würde er seiner Toilette machen, Lieder über sie dichten, sie loben und preisen - mit Blumen und Parfum, sagt Jack Sim, der Gründer der Welttoilettenorganisation. Denn ein Klo ist etwas Wunderbares, ein Luxus, über den man reden soll, ein Ort, an dem wir im Durchschnitt siebenmal am Tag die Hose runterlassen. Jack Sim nennt sich The World’s Number Two Man, grob übersetzt: der Mann fürs große Geschäft. Denn seine Mission sind Klos für die Welt. Er will, dass wir über Toiletten reden, denn: "Worüber wir nicht reden, das können wir nicht ändern."
Ein Klo ist keine Selbstverständlichkeit
Ich muss also mal - über Sanitärversorgung sprechen. Denn, ob Sie’s glauben oder nicht: Ein Klo kann entscheiden, ob ich als Mädchen eine Schulbildung bekomme. Ob ich als Kleinkind an Durchfallerkrankungen sterbe. Oder als junge Frau vergewaltigt werde, weil ich im Dunkeln aufs Feld gehen muss, um mich zu erleichtern. Für Milliarden von Menschen besteht eine Toilette oft nur aus einem einzigen Verschlag. Für viele aus einem Eimer, einem stinkenden Loch im Boden, aus zwei Planken über einer Matschkuhle oder einem Bach, aus einem Stab, an dem man sich auf dem Feld hockend abstützt, aus einem Fleckchen Strand.
Sie haben nicht das, was für die westliche Welt selbstverständlich ist und worüber wir fast nie nachdenken: die Möglichkeit, sich in geschützter Privatsphäre zu erleichtern. Ungefährdet einen Wasserhahn aufdrehen und die Hände waschen - das ist ein Luxus, den ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung nicht genießt. Täglich sterben mehr als 800 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen: mehr als an Aids, Malaria und Masern zusammen. Wo keine Toiletten sind und die Menschen sich überall hin entleeren, ist die Sauberkeit des Trinkwassers in Gefahr, und damit die Gesundheit. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO müssen zwei Milliarden Menschen Trinkwasser nutzen, das mit Fäkalien verunreinigt ist.
Toiletten unterstützen bei der Bildung
Mädchen ohne Toilette in der Schule brechen ihren Schulbesuch oft ab, sobald sie in die Pubertät kommen - weil sie sich während ihrer Regelblutung nicht säubern können. Jedes weitere Jahr, das ein Mädchen zur Grundschule geht, sorgt dafür, dass es später zehn bis 20 Prozent mehr verdient, so Unicef. Gerade in armen Ländern würden gebildete Frauen das Ende der Armut voranbringen. Alles verloren, wenn es keine Toiletten gibt.
Das sollte einem nicht am Allerwertesten vorbei gehen, um es so deutlich wie Jack Sim von der Welttoilettenorganisation zu sagen. Ob Sie jetzt ein japanisches Klo mit gewärmter Brille, Hinterndusche und kleiner Nachtmusik besitzen (haha) oder nur ein Nullnull8/15-WC: Sie haben eins! Feiern Sie es! Abziehen und hochleben lassen!