Fußball-WM in Katar: Zwischen islamischer Tradition und Moderne
Am Sonntag hat die Fußball-WM in Katar - die erste Weltmeisterschaft in einem islamisch geprägten Land begonnen. Konservative islamische Wertevorstellungen treffen dabei auf westliche Fankultur.
Der Ägypter Mo Salah, muslimischer Stürmer vom FC Liverpool, wird von den englischen Fans gefeiert. Sie singen: "Schießt Salah noch mehr Tore, dann werden wir auch Muslime." Muslimische Fußballer wie Mo Salah, der senegalesische Spieler Sadio Mané von Bayern München oder der Franzose Paul Pogba bekennen öffentlich ihren muslimischen Glauben und zeigen, dass der Islam längst im Spitzenfußball angekommen ist.
Fördert die WM in Katar den interkulturellen Dialog?
"Es ist schön zu sehen, dass eine WM auch in einem muslimisch geprägten Land stattfinden kann und dass der Fußball genutzt wird, einen interkulturellen Dialog zu schaffen", sagt der muslimische Fußballfan Burak Öztekin. Er engagiert sich im niedersächsischen Jugendverband der Ditib. Doch auch Öztekin weiß um die Kritik an den Verhältnissen in Katar. So sei der sunnitisch-wahhabitische Islam im Wüstenstaat sehr konservativ geprägt, erläutert der Islamwissenschaftler Sebastian Sons. Das Islamverständnis orientiere sich an der Zeit des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert. "Das ist eine sehr exklusive historische Auslegung des Islams, bei der man vor allen Dingen ein Motto predigt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns", so Sons.
90 Prozent der rund 2,7 Millionen Einwohner des Wüstenstaates sind Arbeitsmigrantinnen und -migranten, vor allem aus Asien. Viele von ihnen sind Hindus oder Katholiken. Die Bürgerinnen und Bürger Katars dagegen sind fast alle muslimisch. Der Islam ist Staatsreligion. "Katar ist ein islamisch geprägtes Land. Das Rechtssystem fußt auf der Scharia, also auf dem Wertekanon im Islam", erläutert Sebastian Sons.
Patriarchalische Wertvorstellungen prägen Gesellschaft
Die muslimische Gesellschaft ist geprägt von patriarchalischen Wertvorstellungen. "Die öffentliche Zurschaustellung von Sexualität ist tatsächlich in vielen islamischen Gesellschaften ein Tabu", sagt Sons. Sex außerhalb der Ehe steht unter Strafe. Das kann soweit gehen, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde und die Tat anzeigt, selbst angeklagt wird. Das Opfer wird so zur vermeintlichen Täterin.
Während bei Weltmeisterschaften in anderen Ländern die Fans oft mit Alkohol gefeiert haben, wird man das in Katar wohl nicht sehen. Für Muslime ist Alkohol verboten. Nicht-muslimische Fans dürfen trinken, aber nur in bestimmten Hotels. "Gerade was Alkoholkonsum angeht, ist die katarische Regierung auch den Forderungen nicht nur übrigens der Fans, sondern vor allen Dingen der WM-Sponsoren entgegengekommen. Budweiser ist einer der WM-Sponsoren und will natürlich sein Produkt auch in Katar verkaufen - darf das jetzt auch für relativ hohe Preise", berichtet Sons.
Katar möchte weltoffen und tolerant erscheinen
Sebastian Sons ist sich sicher, dass die katarische Regierung während der WM die Vorgaben der Scharia nicht allzu streng auslegen wird: "Ähnlich wie zum Beispiel in Russland während der WM 2018, hat auch Katar ein ganz maßgebliches Interesse daran, dass in diesen vier Wochen der WM ein sehr positives, weltoffenes und tolerantes Bild des Landes vermittelt wird. Ansonsten wäre diese WM mit Sicherheit auch für sie ein Misserfolg."
Boykott-Aufrufe beispielsweise von deutschen Fans empfindet die Regierung Katars als diffamierend. Das sieht der muslimische Fußballfan Burak Öztekin anders. Er kann durchaus verstehen, wenn Menschen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen die Spiele lieber nicht sehen wollen. Aber: "Ich werde mir die WM anschauen, weil ich fußballbegeistert bin", erklärt Öztekin.
Fußballbegeistert wie die Liverpooler Fans, die ihren muslimischen Fußballstar Mo Salah geradezu vergöttern. Nur schade, dass das Idol so vieler muslimischer Fans nicht in Katar dabei ist. Denn Ägypten hat sich nicht für die WM qualifiziert.