Ein Dozent steht vor den Kollegiaten des Islamkolleg in einer Moschee. © NDR
Ein Dozent steht vor den Kollegiaten des Islamkolleg in einer Moschee. © NDR
Ein Dozent steht vor den Kollegiaten des Islamkolleg in einer Moschee. © NDR
AUDIO: Erste Imame "made in Germany": Unsichere Zukunft (6 Min)

Erste Imame "made in Germany": Unsichere Zukunft

Stand: 22.09.2023 09:24 Uhr

Vor gut zwei Jahren startete das Islamkolleg Deutschland in Osnabrück. Am 30. September erhalten nun die ersten ausgebildeten muslimischen Geistlichen ihr Zertifikat. Die Berufsaussichten der Absolventen aber sind ungewiss.

von Ita Niehaus

Große Erleichterung - nun ist auch die letzte Prüfung geschafft. Zwei intensive Jahre liegen hinter Ender Cetin und den anderen 17 Absolventen und Absolventinnen der Imamausbildung am Islamkolleg in Osnabrück. Ender Cetin, Sohn türkischer Gastarbeiter und überzeugter Berliner, nimmt vor allem eines mit für seinen Berufsalltag: "Das Gefühl der Sicherheit. Vieles wurde klar, vieles wiederholt, einiges war auch neu. Einfach das Gefühl, dass man ein Imam ist - ein Imam made in Germany."

Weitere Informationen
"Islamkolleg Deutschland" steht auf einem Schild. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch
36 Min

Zukunft ungewiss? Muslime beenden Ausbildung am Islamkolleg

Am 30. September erhalten die ersten am Islamkolleg ausgebildeten muslimischen Geistlichen ihr Zeugnis. Wie ist die Ausbildung gelaufen? 36 Min

Finanzierungsprobleme: "Der politische Wille fehlt"

Der 46-jährige muslimische Geistliche arbeitet auf Honorarbasis im Jugendstrafvollzug und ist in einem Dialogprojekt angestellt. Was die Berufsaussichten angehe, habe sich bei ihm nicht viel getan. Nur wenige Absolventen hätten bisher, so Ender Cetin, ein Stellenangebot als Vollzeit-Imam erhalten. Das große Problem sei nach wie vor die Finanzierung.

"Der politische Wille fehlt an dieser Stelle", kritisiert Kollegdirektor Bülent Ucar. "Natürlich darf der Staat nicht direkt Imame bezahlen. Allerdings könnte er Sozialarbeit, Bildungsarbeit und Integrationsarbeit in den Gemeinden unterstützen. Mit den Mitteln, die die Gemeinden einsparen, könnten sie ihre Imame finanzieren und sich damit unabhängig machen von ausländischen Regierungen." In den vergangenen Jahren habe sich aber wenig bewegt. Dabei liegen Vorschläge, wie zum Beispiel eine unabhängige Moscheestiftung oder Teilzeit-Imame, schon lange auf dem Tisch.

Islamkolleg: Kaum Unterstützung durch große Moscheeverbände

Hinzukommt: Bisher setzen sich nur wenige Moscheeverbände, unter anderem der Zentralrat der Muslime, für das Islamkolleg ein. Es ist jedoch nicht gelungen, die großen Verbände dafür zu gewinnen. Viele bilden, wie DITIB, ihr religiöses Personal selbst aus.

"In der Zukunft können wir von diesen Absolventen eine ganze Menge in Deutschland erwarten", sagt Eyüp Kalyon, Generalsekretär des größten deutschen Islamverbandes DITIB. Er spricht von den Absolventen der DITIB-Imamausbildung in Deutschland. Die ersten 25 haben ihre Abschlussprüfung bereits 2022 absolviert. Die Ausbildungsinhalte sind ähnlich, alle Absolventen bekamen jedoch gleich ein Jobangebot. Bezahlt werden sie in der Regel aber immer noch von der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Großes Interesse an den Absolventen des Islamkollegs Deutschland, kurz IKD, signalisiert Eyüp Kalyon nicht: "Das müsste im Einzelfall geprüft werden. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, in DITIB-Moscheen aktiv zu sein, dann kann sich ein IKD-Absolvent gerne bei uns bewerben."

"Von den großen Verbänden glaube ich nicht, dass die das unterstützen", sagt Ender Centin. "Leider gibt es auch Machtinteressen, Eigeninteressen und man denkt, das sei irgendwie Konkurrenz." Centin ist gut vernetzt in der muslimischen Community, gehörte früher auch einmal dem umstrittenen deutsch-türkischen Islamverband DITIB an. Er ist überzeugt, dass es noch lange dauern wird, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden: "Wir haben Vertrauen, dass die Politik uns sieht, wertschätzt und auf die Bedarfe eingeht. Na klar, liegt auch die Verantwortung bei uns. Wir schauen, was sich ergibt."

Mögliche Berufsfelder auch außerhalb der Moscheegemeinden

Auch Kollegdirektor Bülent Ucar rät den Absolventen, sich mehrere Optionen offen zu halten. Und macht sich auch für Berufsfelder außerhalb der Moscheegemeinden stark - in der Seelsorge, etwa im Krankenhaus, Militär und im Gefängnis oder in der Sozialarbeit. Langsam wird er jedoch etwas ungeduldig: "Entweder werden die Imame in den nächsten Jahren in Deutschland ausgebildet und finanziert, und dieser letzte Punkt ist entscheidend, oder aber wir manifestieren auf Dauer die Auslandsabhängigkeit der deutschen Moscheegemeinden."

Weitere Informationen
Christian Wulff (r), Bundespräsident a.D., überreicht Absolvent Muhamed Memedi (M) das Zertifikat bei der Abschlussfeier für die ersten Absolventen der Imam-Ausbildung. © dpa-Bildfunk Foto: Friso Gentsch

Islamkolleg Deutschland: Erste Absolventen erhalten Zeugnisse

Mehr als 20 Frauen und Männer haben die Ausbildung in Osnabrück absolviert. Zur Übergabe kam Alt--Bundespräsident Wulff. mehr

Elif Demirhan-Coban redet mit einer Frau. © NDR

Imam-Ausbildung in Osnabrück: "Ich versuche, eine Brücke zu sein"

Elif Demirkan-Çoban hat die deutsche Imam-Ausbildung absolviert. Am Islamkolleg erhalten gerade die ersten Absolventen nach zweijähriger Ausbildung Zeugnisse. mehr

Ali Yain Karaca und Muhamed Memedi sitzen im Islamkolleg Osnabrück vor einem Bücherregal. © NDR

Imam-Ausbildung am Islamkolleg: Auf Deutsch und offen für alle

Am Islamkolleg Deutschland in Osnabrück schließen die ersten Muslime ihre Ausbildung ab. Wir erklären, was dahinter steht. mehr

Rauf Ceylan © Rauf Ceylan

"Die Imamausbildung der DITIB ist keine Lösung"

Der Moscheeverband DITIB will künftig mehr Imame in Deutschland ausbilden. Doch solange diese aus der Türkei bezahlt werden, kann das keine Lösung sein, sagt Islamwissenschaftler Ceylan. mehr

Zwei Muslime lesen am "Tag der offenen Moschee" in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin in einem Koran. © dpa Foto: Rainer Jensen

Berufsbild Imam - mehr als ein Prediger

Imame leiten die Gemeinde, predigen, geben Koranunterricht, sind Seelsorger oder Brückenbauer. Doch wie werden sie eigentlich ausgebildet? Ein Beitrag von Ita Niehaus. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 22.09.2023 | 15:20 Uhr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur Livestream

Der Sonntag

09:00 - 13:00 Uhr
Live hörenTitelliste