Erste Imame "made in Germany": Unsichere Zukunft
Vor gut zwei Jahren startete das Islamkolleg Deutschland in Osnabrück. Am 30. September erhalten nun die ersten ausgebildeten muslimischen Geistlichen ihr Zertifikat. Die Berufsaussichten der Absolventen aber sind ungewiss.
Große Erleichterung - nun ist auch die letzte Prüfung geschafft. Zwei intensive Jahre liegen hinter Ender Cetin und den anderen 17 Absolventen und Absolventinnen der Imamausbildung am Islamkolleg in Osnabrück. Ender Cetin, Sohn türkischer Gastarbeiter und überzeugter Berliner, nimmt vor allem eines mit für seinen Berufsalltag: "Das Gefühl der Sicherheit. Vieles wurde klar, vieles wiederholt, einiges war auch neu. Einfach das Gefühl, dass man ein Imam ist - ein Imam made in Germany."
Finanzierungsprobleme: "Der politische Wille fehlt"
Der 46-jährige muslimische Geistliche arbeitet auf Honorarbasis im Jugendstrafvollzug und ist in einem Dialogprojekt angestellt. Was die Berufsaussichten angehe, habe sich bei ihm nicht viel getan. Nur wenige Absolventen hätten bisher, so Ender Cetin, ein Stellenangebot als Vollzeit-Imam erhalten. Das große Problem sei nach wie vor die Finanzierung.
"Der politische Wille fehlt an dieser Stelle", kritisiert Kollegdirektor Bülent Ucar. "Natürlich darf der Staat nicht direkt Imame bezahlen. Allerdings könnte er Sozialarbeit, Bildungsarbeit und Integrationsarbeit in den Gemeinden unterstützen. Mit den Mitteln, die die Gemeinden einsparen, könnten sie ihre Imame finanzieren und sich damit unabhängig machen von ausländischen Regierungen." In den vergangenen Jahren habe sich aber wenig bewegt. Dabei liegen Vorschläge, wie zum Beispiel eine unabhängige Moscheestiftung oder Teilzeit-Imame, schon lange auf dem Tisch.
Islamkolleg: Kaum Unterstützung durch große Moscheeverbände
Hinzukommt: Bisher setzen sich nur wenige Moscheeverbände, unter anderem der Zentralrat der Muslime, für das Islamkolleg ein. Es ist jedoch nicht gelungen, die großen Verbände dafür zu gewinnen. Viele bilden, wie DITIB, ihr religiöses Personal selbst aus.
"In der Zukunft können wir von diesen Absolventen eine ganze Menge in Deutschland erwarten", sagt Eyüp Kalyon, Generalsekretär des größten deutschen Islamverbandes DITIB. Er spricht von den Absolventen der DITIB-Imamausbildung in Deutschland. Die ersten 25 haben ihre Abschlussprüfung bereits 2022 absolviert. Die Ausbildungsinhalte sind ähnlich, alle Absolventen bekamen jedoch gleich ein Jobangebot. Bezahlt werden sie in der Regel aber immer noch von der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Großes Interesse an den Absolventen des Islamkollegs Deutschland, kurz IKD, signalisiert Eyüp Kalyon nicht: "Das müsste im Einzelfall geprüft werden. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, in DITIB-Moscheen aktiv zu sein, dann kann sich ein IKD-Absolvent gerne bei uns bewerben."
"Von den großen Verbänden glaube ich nicht, dass die das unterstützen", sagt Ender Centin. "Leider gibt es auch Machtinteressen, Eigeninteressen und man denkt, das sei irgendwie Konkurrenz." Centin ist gut vernetzt in der muslimischen Community, gehörte früher auch einmal dem umstrittenen deutsch-türkischen Islamverband DITIB an. Er ist überzeugt, dass es noch lange dauern wird, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden: "Wir haben Vertrauen, dass die Politik uns sieht, wertschätzt und auf die Bedarfe eingeht. Na klar, liegt auch die Verantwortung bei uns. Wir schauen, was sich ergibt."
Mögliche Berufsfelder auch außerhalb der Moscheegemeinden
Auch Kollegdirektor Bülent Ucar rät den Absolventen, sich mehrere Optionen offen zu halten. Und macht sich auch für Berufsfelder außerhalb der Moscheegemeinden stark - in der Seelsorge, etwa im Krankenhaus, Militär und im Gefängnis oder in der Sozialarbeit. Langsam wird er jedoch etwas ungeduldig: "Entweder werden die Imame in den nächsten Jahren in Deutschland ausgebildet und finanziert, und dieser letzte Punkt ist entscheidend, oder aber wir manifestieren auf Dauer die Auslandsabhängigkeit der deutschen Moscheegemeinden."