"Der innermuslimische Dialog braucht Zeit"
Wie können Dialog und Zusammenarbeit zwischen Muslimen und dem deutschen Staat besser gelingen? Darüber wird zurzeit viel diskutiert. Unsere Gastautorin - die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi aus Hannover - ist seit vielen Jahren im interreligiösen und interkulturellen Dialog engagiert. Und sie ist überzeugt: Dialog, gerade auch unter Muslimen, ist heute wichtiger denn je.
Ein Kommentar von Hamideh Mohagheghi
Vertrauen ist die unverzichtbare Basis für einen Dialog und ein gutes Zusammenleben. Aber genau daran scheint es im Dialog mit den Muslimen in Deutschland und auch im Dialog der Muslime untereinander zu mangeln. Seit mehr als zwanzig Jahren sucht der deutsche Staat nach einem Ansprechpartner innerhalb der muslimischen Gemeinschaften. Denn wenn es um Islamunterricht an Schulen geht, um Seelsorge oder Bestattungsriten, haben nach deutschem Recht die Religionsgemeinschaften die Deutungshoheit bei der inhaltlichen Ausgestaltung.
Es gibt Verbände wie DITIB, die über geeignete Strukturen verfügen. Sie schaffen es aber nicht, ihre Unabhängigkeit vom Ausland zu wahren, auch wenn diese von ihnen immer wieder zugesichert wird. Es bleiben Zweifel, inwieweit sie tatsächlich auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und die Werte der deutschen Gesellschaft teilen. Das wurde zuletzt durch den geschlossenen Rücktritt des Vorstands der DITIB Niedersachen und Bremen wieder deutlich.
Dialogverdrossenheit unter Muslimen nimmt zu
Unter den Muslimen stellt sich so aber eine gewisse Dialogverdrossenheit ein. Denn gerade diejenigen, die seit Jahren - auch in ihren Moscheegemeinden vor Ort - einen ehrlichen und guten Austausch mit Gesellschaft und Politik führen, stehen oft unter Verdacht. Nur weil vor allem die radikalen Muslime und ihre Machenschaften das Bild des Islam in den Medien und den Köpfen der Menschen prägen. Die Mehrheit der Muslime, die mitten in der Gesellschaft lebt und vielleicht auch keinen Bedarf nach einer staatlich anerkannten Vertretung verspürt, wird kaum wahrgenommen. Es wird noch viel zu wenig berücksichtigt, dass die meisten Musliminnen und Muslime selbst schockiert sind, weil im Namen ihres Glaubens, den sie als Quelle ihrer Friedfertigkeit lieben und leben, derart grausame Verbrechen verübt werden.
In dieser aufgeregten, von Annahmen, Vorurteilen und letztlich Verzweiflung geprägten Atmosphäre fand die Auftaktveranstaltung der 4. Deutschen Islam Konferenz statt. Nun sollen die liberalen und säkularen Muslime es gemeinsam mit den Verbänden schaffen, der Ratlosigkeit ein Ende zu setzen und endlich "richtige" Ansprechpartner für den Staat heranzuschaffen
Unterschiedliche Strömungen konkurrieren um staatliche Unterstützung
Von allen Religionen ist bekannt, dass der innerreligiöse Dialog nicht einfach ist. Die vielfältigen Richtungen im Islam sind das Ergebnis unterschiedlicher theologischer Ansichten. Sie haben ihren Ursprung zwar in denselben Quellen, diese aber werden vielfältig gedeutet. Diese Vielfalt ist an sich nicht das Problem. Schwierigkeiten entstehen aber, wenn Vertreter unterschiedlicher theologischer Strömungen um staatliche Unterstützung konkurrieren sollen.
Der innerislamische Dialog, wenn er wirklich zustande kommt, wird eine große Herausforderung sein. Er kann nur mit einer Streitkultur entstehen, die auf gegenseitigem Respekt beruht. Auch daran fehlt es noch. Eine schnelle Lösung wird es daher nicht geben.
Mit Geduld und Aufrichtigkeit Vertrauen schaffen
Die Fragen, die zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu klären sind, müssen in der Regel in den Bundesländern geklärt werden. Deshalb wäre ein gangbarer Weg, dass die Muslime sich in jedem Bundesland entsprechend den jeweiligen Möglich - keiten zusammenschließen - und zwar nicht nach Ethnien und Herkunft der Vorfahren getrennt. Eine überzeugende Alternative wäre ein unabhängiger Islamverband: mit Muslimen aller Glaubensrichtungen, die in Deutschland zuhause sind und diese Gesellschaft nachhaltig mitgestalten wollen.
In manchen Diskussionen, auch im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz, entstand der Eindruck, dass sich durch den Eingriff des Staates Fronten zwischen "guten" und "schlechten" Muslimen bilden. Dies wäre fatal und würde neue Diskussionen hervorbringen, die an den wirklichen Bedürfnissen der Muslime vorbeigehen: ihren Glauben etwa ganz selbstverständlich in dieser Gesellschaft leben zu können. Egal, ob sie sich als eher konservativ, säkular oder liberal verstehen. Mit Geduld und Aufrichtigkeit Vertrauen zu schaffen - das ist das Gebot der Stunde.