20 Jahre afghanische Musik an der Jugendmusikschule Hamburg
Afghanische Musik erzählt von Heimat, von Sehnsucht und von Traditionen, die über Generationen weitergegeben wurden. Diese besondere Musikkultur wird an der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg gelehrt und gelebt.
Hier lernen junge Menschen nicht nur, Instrumente wie das Harmonium oder die Tabla zu spielen, sondern auch, welche spirituelle und kulturelle Bedeutung die Musik in ihrer afghanischen Heimat hat. Hier treffen traditionelle Klänge auf junge Menschen, die zwischen zwei Welten aufwachsen: der afghanischen und der deutschen.
Afghanische Klänge mit Harmonium und Tabla
Jeden Donnerstag beginnt der Unterricht mit Gesangsübungen. Das Fach Afghanische Musik wird bereits seit mehr als 20 Jahren an der staatlichen Jugendmusikschule in Hamburg angeboten. Es sind etwa 50 Kinder und junge Erwachsene in dieser Klasse. Die meisten von ihnen sind in Deutschland geboren. So wie die zehnjährige Sana Afshar, die seit einem Jahr begeistert Harmonium spielt: "Ich finde, das Harmonium ist ein tolles Instrument, und man kann hier super lernen. Diese Musik ist sehr schön. Als ich angefangen habe, war es schon schwer, aber ich habe mehr geübt, und danach ging es einfach, das ging dann automatisch."
Fast alle Schülerinnen und Schüler sind mit den Klängen der Afghanischen Musik aufgewachsen. Auch der Flüchtling Asad Moaser. Er kam vor 18 Monaten nach Deutschland. Seit seiner Kindheit hört und singt er afghanische Lieder. "Ich liebe Musik, Musik ist für mich mein Leben. Wenn ich viel Stress habe, mache ich Musik." Schon in seinem Heimatland hat er regelmäßig Harmonium und Tabla gespielt - allerdings heimlich, ergänzt Asad Moaser.
Musik-Verbot in Afghanistan: Taliban berufen sich auf Islam
Seit 2019 leitet Elias Ebadi Shahna den Unterricht an der staatlichen Jugendmusikschule. Für den Musiklehrer sei es sehr wichtig, der jungen Generation Afghanische Lieder beizubringen. Seit die Taliban in Afghanistan erneut an der Macht sind, ist Musik verboten. Sogar der Besitz von Instrumenten sei strafbar: "Nirgendwo im Koran steht, dass Musik verboten ist. Musik ist in der Natur. Wie können sie den Vögeln verbieten, morgens zu singen? Das ist Musik. Wenn Wasser fließt, ist das auch Musik. Wie können sie das abstellen? In allen anderen islamischen Ländern wird Musik produziert, wird Musik gemacht: Saudi-Arabien, Dubai - das sind alles islamische Länder, da gibt es Konzerte und Veröffentlichungen, Schallplatten, CDs und so weiter. Nur in Afghanistan nicht - das kann ich überhaupt nicht verstehen."
Elias Shahna komponiert auch selber Musik, hat schon einige Alben - auch in Afghanistan - veröffentlicht. Bis zur Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 ist der Musiker regelmäßig in sein Heimatland geflogen. Jetzt, sagt er, sei es zu gefährlich: "Davor war es ja nicht so, da gab es Rundfunk und Fernsehen und alles. Aber im Moment sagt die Taliban-Regierung, dass der Islam die Musik verbietet. Die behauptet, Musik wäre im Islam haram, und die Musiker dürfen nicht arbeiten, dürfen keine Musik produzieren." Die meisten Musiker seien schon vor Jahren ins Ausland geflüchtet. Diejenigen die noch da sind, müssten sich den neuen Machthabern fügen.
Musikunterricht als Bereicherung und Hilfestellung
Hier in Deutschland möchte Elias Ebadi Shahna die Klänge am Leben erhalten. Die staatliche Jugendmusikschule in Hamburg betrachtet den Unterricht als Bereicherung, erzählt der Leiter Professor Guido Müller: "Neulich sagte ein Schüler zu mir, der an unserer Afghanischen Musik teilnimmt, er fühle sich durch die Musik wieder mit seinen Wurzeln verbunden. Viele Afghanen sind losgelöst, die Wurzeln sind gerissen aufgrund der Situation in Afghanistan, und ich glaube, dass der Unterricht den Menschen hier eine Hilfestellung geben kann, um gewisse Themen, die in Afghanistan fortgehen, zu bewältigen."