Chormusik
Sonntag, 19. Januar 2025, 17:00 bis
18:00 Uhr
In dieser Sendung hören Sie den zweiten Teil einer "Schubertiade" an, die das NDR Vokalensemble im Oktober in Hamburg und Hannover aufführte: Ein spätromantischer Abend mit Chorliedern von Schubert und von Schönberg, dessen 150. Geburtstag 2024 gefeiert wurde. Die Musik beider Komponisten entstand häufig für einen kleinen Kreis, für musikalische Treffen und Geburtstagsfeiern.
Musik für einen kleinen Kreis
Schönberg hat sich natürlich allmählich Richtung Zwölftontechnik entwickelt. Mit der Erweiterung des harmonischen Radius‘ experimentierte aber nicht nur er. "In der Spätromantik hat man versucht, alle 12 Töne zu benutzen, aber so, dass es für unsere Ohren noch ‚normal‘, noch tonal klingt, mit Dreiklängen.", sagt der Dirigent Klaas Stok. "Aber eigentlich ist man schon auf dem Weg Richtung Atonalität. In manchen Stilen wurden Entscheidungen getroffen, sich harmonisch weiter zu entfernen, und Schönberg hat das dann ganz radikal gemacht, benutzte alle Töne durcheinander, ohne dass es wie ein Dreiklang klingt. Und das erfahren wir heute als äußerst modern, noch moderner als heutige Komponisten schreiben. Und andere, wie Debussy oder Ravel, haben das wieder ganz anders gemacht. Jeder hat also seinen Weg gesucht in eine neue Tonwelt."
Klangexperimente
Auch bei Arnold Schönberg hat es einen Übergang gegeben. Viele Werke sind noch im spätromantischen Stil komponiert und passen sehr gut zu den Liedern von Schubert, dessen Werke Schönberg gut gekannt hat. Er hat sogar eines von Schuberts Liedern bearbeitet. In manchen Werken orientiert sich Schönberg an althergebrachten Techniken, meist an polyphonen Strukturen. "Man mag über Schönberg denken, was man will" ist beispielsweise in Kanontechnik geschrieben, entstanden als Geburtstagsgeschenk und mit sehr viel Selbstspott.
Schönbergs Humor
Humor beweist Schönberg auch in seinen "Drei Satiren". "Das sind Stücke, womit er diese Frage nach tonal oder atonal satirisch beschreibt." Erklärt Klaas Stok. "Es geht über Papa Bach, Schönberg benutzt Kanon-Techniken, er macht ein zwölftonartiges Thema. Zum Text ‚tonal oder atonal‘ singen wir mal einen tonalen Dreiklang, mal einen atonalen Dreiklang. Schönberg bekannte einmal in einem Brief "Ich schrieb die Satiren, als ich über die Angriffe einiger meiner jüngeren Zeitgenossen sehr aufgebracht war." Von Franz Schubert sang das NDR Vokalensemble ebenfalls Chorlieder, darunter "Gott ist mein Hirt, "Gebet" und die Bearbeitung des Sololiedes "Litanei" gemeinsam mit dem Pianisten Julius Drake. Mit ihm hatte das NDR Vokalensemble einen wahren Schubert-Experten an seiner Seite.
Romantische Lyrik
"Von vielen Komponisten, insbesondere von Schubert, weiß man, dass die Beschäftigung mit Literatur und Lyrik unglaublich wichtig war. Auch von Schumann und Brahms beispielsweise", sagt Julius Drake. "Sie sind angeregt worden durch die Worte, von ihrem Klang und Ausdruck und von den Gefühlen, die mit ihnen ausgedrückt werden. Schubert hat oft Texte seiner Freunde vertont, auch ‚Götter‘ wie Schiller und Goethe. Aber egal, welche Qualität die Lyrik hatte: Schubert hat danach gesucht, welche Worte ihn bewegen und wie er das in Musik bringt. Manchmal ist die Musik daher besser als der Text."
Eine Sendung von Chantal Nastasi.