Aktionen der "Letzten Generation": Sind Kunstwerke in Museen sicher?
Die Bilder der Aktionen der "Letzten Generation" gehen um die Welt - und damit auch Bilder von teils sehr hilflosen Museumswärtern. Wie gut sind Museen im Norden auf mögliche Angriffe vorbereitet?
Wer gerne ins Museum geht, der weiß, dass dort nicht unbedingt Menschen vom Format eines Arnold Schwarzeneggers Aufsicht führen, um Kunstwerke wie die von Vincent van Gogh, Raffael oder Francisco de Goya zu bewachen. Oftmals sind es ältere Menschen, nicht selten sogar Freiwillige, die sich ehrenamtlich engagieren. Können sie im Ernstfall Attacken auf Kunstwerke verhindern?
Jüngst beschmierten Klimaaktivisten den Eingang der berühmten Mailänder Scala kurz vor einer Premieren-Aufführung mit Farbe. Der norddeutsche Künstler Jonathan Meese reagierte am Freitag im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" in Bezug auf diese Aktionen, er hasse das "ständig befeuerte Geschrei vom Weltuntergang". Er erklärte: "Es ist mir egal, wie viel Dollar van Goghs Bilder kosten - aber wie kann man nicht mit dem Herzen sehen, was seine Bilder wert sind? Vincent van Gogh ist purste, reinste Liebe!"
Bucerius Kunst Forum: Einschränkungen bei Mitnahme von Taschen
Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg zeigt regelmäßig hochkarätige Ausstellungen, oftmals sind die Werke Leihgaben von den ganz großen Häusern der Welt: darunter das Museum of Modern Art in New York, der Louvre in Paris oder die Londoner Tate. Die bisherigen Vorfälle in Museen habe man genau verfolgt und den Umgang einer möglichen Aktion von "Last Generation" mit dem Sicherheitspersonal besprochen, teilt Andreas Hoffmann, Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums, mit. Er berichtet, dass die Staatlichen Museen in Berlin die Mitnahme von Taschen in die Ausstellungsräume bereits vollkommen verbieten - auch das Bucerius Kunst Forum bewege sich in eine ähnliche Richtung.
"Ein vollkommener Schutz ist nicht möglich"
"Doch nicht nur der Klebstoff, auch viele weitere Schadstoffe lassen sich ebenso direkt am Körper in die Ausstellungen mitnehmen. Wir kommen zu dem Schluss, dass ein vollkommener Schutz gegen solche Aktionen nicht möglich ist." So sehr das Haus das Anliegen der "Last Generation" teile, den Klimaschutz in den Vordergrund zu rücken, so sehe man doch das gewählte Mittel als falsch an, ist Hoffmanns deutliche Botschaft.
Bucerius Kunst Forum fordert Ende der Aktionen
Museen sollen Orte der Gesellschaft und für die Gesellschaft sein, führt Hoffmann aus: "Die Aktionen lösen erhöhte Sicherheitsvorkehrungen aus, die dem unbefangenen Erlebnis des Kulturerbes schaden, für den sich seit Jahren Museen und Ausstellungshäuser einsetzen." Das Bucerius Kunst Forum arbeite daran, Hemmschwellen für einen Museumsbesuch zu senken und das Museumserlebnis so angenehm und unkompliziert wie möglich zu gestalten. Gerade jetzt in einer Phase zwischen der Covid-19-Pandemie und dem Energiekrisen-Winter sei das so wichtig wie nie zuvor. Hoffmann glaubt, dass die Aktionen kontraproduktiv sind: "Sie provozieren neue Hemmschwellen, da sie die Kontrolle der Besucher:innen, Abstandshalter und Glasbarrieren zum Schutz gegen mögliche Schäden hervorrufen." Zusätzlich sei trotz der bewussten Wahl von Kunstwerken, die durch Glas geschützt sind, ein Schaden am Kunstwerk sowie an der historischen Rahmung kaum auszuschließen. Das Bucerius Kunst Forum fordere daher mit Nachdruck ein Ende diese Aktionen.
Keine verschärften Maßnahmen an der Hamburger Kunsthalle
Auch in der Hamburger Kunsthalle war der Schutz gegen Randale bereits Thema, wie die Pressestelle mitteilt. Schließlich hängen auch dort Werke vieler großer Künstlerinnen und Künstler: von Pablo Picasso bis Emil Nolde. Caspar David Friedrichs ikonisches Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" etwa hat einen hohen Bekanntheitsgrad und Symbolwert für den Norden. Trotzdem habe sich der Vorstand der Hamburger Kunsthalle dagegen entschieden, die Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen. Denn das stehe nach Meinung des Hauses konträr zu dem Anspruch, für alle offen zu sein. Es habe aber Gespräche mit dem Aufsichtspersonal gegeben und dabei seien verschiedene Szenarien mit gewissen Handlungsanweisungen durchdacht worden. Auch die Kunsthalle kommt aber zu dem Ergebnis: Eine Garantie für eine volle Sicherheit auch unter verschärften Vorkehrungen kann es nicht geben.
Deichtorhallen Hamburg sehen keine große Gefahr
Antonius Kaufmann, der Kaufmännische Direktor der Deichtorhallen in Hamburg, sieht aktuell keinen Grund zur Sorge: "Da Klimaaktivisten meist historische, ikonische Kunstwerke angreifen, sehen wir uns aufgrund des zeitgenössischen Ausstellungsprogramms in dieser Hinsicht keiner so großen Gefahr ausgesetzt." Dennoch versuche das Haus natürlich durch Schulungen, Taschenkontrollen und umsichtiges Handeln Schäden von Personen, Kunstwerken und Räumlichkeiten abzuwenden - schon lange bevor das Thema so präsent in den Medien war. Außerdem gebe es regelmäßig Schulungen des Sicherheitsteams für alle Formen an ungewöhnlichen Ereignissen im Ausstellungsbetrieb wie Brandfälle, Bombendrohungen, Gebäudebesetzungen sowie Angriffe auf Personen oder Kunst. Diese seien auch in einem Notfallhandbuch festgehalten.
"Ruhe bewahren, sachlich bleiben, keine unangemessenen Maßnahmen ergreifen"
Darüber hinaus, ergänzt Kaufmann, finde vor jeder Ausstellungseröffnung ein individuelles Sicherheitsbriefing des Teams statt. "Dabei wurde bei den letzten Treffen natürlich auch die aktuelle Thematik der Eingriffe von Klimaaktivisten erörtert." Kaufmann empfiehlt: Ruhe bewahren, sachlich bleiben und keine unangemessenen Maßnahmen zu ergreifen, schließlich seien der Selbstschutz und der Schutz des Personals wichtig. Auch in den Deichtorhallen seien die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel schon seit vielen Jahren fest im Programm verankert, sei es durch Ausstellungen mit Künstlern wie Paolo Pellegrin oder Ragnar Axelsson, die den Klimawandel in ihren Werken explizit thematisieren. Und auch das Haus selbst habe sich des Themas angenommen, zum Beispiel durch Sanierungen, Maßnahmen im Alltag und ständig erweiterte Konzepte.
Europäisches Hansemuseum: Nachhaltigkeit ist großes Thema
Auch in Lübeck hat Museumsdirektorin Felicia Sternfeld die Aktionen verfolgt. Das Europäische Hansemuseum habe zwar keine weltberühmten Objekte im Haus, aber wenn es den Aktivistinnen und Aktivisten um wirkungsvolle Bilder gehe, habe das Museum den einen oder anderen Bildhintergrund zu bieten, räumt sie ein. Auch ihr ist es ein Anliegen, zu betonen, dass sich das Museum bereits intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt.
Museum in Lübeck schult Mitarbeiter
"Wir sind zum Beispiel ein ,Museum For Future' sowie Projektpartner bei ,BildungKlima-plus-56'", berichtet sie, trotzdem mache sich ihr Team Gedanken darüber, dass es Ziel einer Aktion werden könnte. Dazu erarbeite man gerade gemeinsam einen internen Leitfaden, was genau passieren könnte und wie die entsprechenden Abläufe aussehen. Dazu soll es dann im Anschluss auch eine Schulung geben. Insgesamt sei man dazu auch in engem Austausch mit diversen Kolleg:innen aus anderen Museen über den Arbeitskreis Verwaltungsleitung des Deutschen Museumsbundes.
Zusammenarbeit vieler Häuser im Deutschen Museumsbund
Ähnlich aufmerksam hat das Kunstmuseum Wolfsburg die Vorfälle zur Kenntnis genommen. Auch dort bestehe ein Austausch mit der Arbeitsgruppe Sicherheit im Deutschen Museumsbund. Man verfolge die Entwicklungen sehr genau. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den öffentlichen Bereichen seien sensibilisiert und entsprechend geschult, heißt es auf Nachfrage von NDR Kultur. Auch das Kunstmuseum Wolfsburg ist bekannt dafür, sich in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu engagieren.