Poetry Slam: Team Hochdeutsch siegt vor Team Plattdeutsch
Sie sind in Teams gegeneinander angetreten: drei Plattschnackers und drei Hochdeutsche - beim Poetry Slam am Freitagabend im Kühlhaus Flensburg. Doch egal in welcher Sprache: Ernsthaftigkeit und Humor haben beide Teams bewiesen.
Der Abend beginnt direkt eindrucksvoll: Carina Dawert hat einen sehr persönlichen Text geschrieben und den ganzen Tag überlegt, ob sie diesen auch wirklich vortragen soll, wie sie sagt. Sprachlich lässt sie die Dialoge auf Platt und Hochdeutsch hin und her wechseln: "De unsympatischen Lüüd in düssen Text schnacken Hochdüütsch", kündigt Carina Dawert ihre Geschichte an. Die handelt von Mobbing, Bodyshaming und gesellschaftlichem Druck durch Social Media. Das Flensburger Publikum klatscht, johlt und pfeift nach diesem Start.
Ihre Duellantin ist Johanna Wack. Sie erzählt mit schwarzem Humor zwei bekannte Märchen aus einer neuen Perspektive. Und reimt sich mit "Der Wolf und das kleine, fiese Mädchen mit der roten Kappe" ins Finale.
Poetry Slam-Premiere im Team Plattdeutsch
"Dat is mien erste Slam, ik heff noch nie nich bi een Slam mitmaakt", verkündet Marie Sophie Koop, als sie vor das Mikrofon tritt und bekommt dafür spontanen Applaus aus dem Publikum. "Un denn ok noch op Plattdüütsch!" Denn Platt lernt sie erst seit sechs Jahren. Geschichten schreibt die Hamburgerin allerdings schon seit einiger Zeit, hat sogar 2020 den Schreibwettbewerb "Vertell doch mal" von NDR, Radio Bremen und dem Ohnsorg-Theater gewonnen. Im Kühlhaus Flensburg liest sie einen Text über Angst. Die Angst, die Frauen verspüren, wenn sie sich nachts im Dunkeln unsicher fühlen, die Angst vor sexuellen Übergriffen.
Auch Janne Petersen-Feddersen trägt eine nachdenkliche Geschichte vor. Rhythmisch beschreibt sie den Umgang eines alten Liebespaares mit unheilbaren Krankheiten. Die Gewohnheit scheint sie durch den Alltag zu retten, aber verschleiert zeitgleich die realen Umstände. Die Publikumsjury gibt Marie Sophie Koop und Janne Petersen-Feddersen die gleiche Punktzahl, beide kommen ins Finale.
Sagenhaftes Dorfleben bietet viel Stoff für Texte
Lennart Hamann erinnert sich an seine Wurzeln und erzählt vom Dorfleben. Seiner Jugend mit Torfrock, Scheunenfete und ewiger Langeweile. Er stellt die Frage: "Wie soll man fliehen, wenn der Bus nur alle Tage fährt?" Lacher und Klatschen aus dem Publikum.
Ins Finale zieht jedoch Tim Jürgensen ein. Der ist Schauspieler und tritt zusätzlich regelmäßig bei Poetry Slams auf. Auf Plattdeutsch ist es für ihn allerdings das erste Mal. Gereimt und mit Augenzwinkern dichtet er zwei Dorfbewohnern aus der Probstei eine gruselige Sage an. Karl-Heinz, dessen Geist im Abfluss auflauert, und Käthe, die so gut im Krabbenpulen werden will, dass sie auch nach Feierabend fleißig das Pulen an anderen Gegenständen übt - bis sie schließlich ganze Gebäude "wegpult".
Erfahrung schlägt Newcomer
Im Finale treten somit gleich beide plattdeutschen Newcomer an, außerdem die amtierende Slam-Landesmeisterin Janne Petersen-Feddersen und Johanna Wack, die Siegerin des ersten Duells. Und die trifft letztlich mit einer absurden Geschichte über schlechten Kunstgeschmack genau den Nerv des Flensburger Publikums - und kann den Abend für das Team Hochdeutsch entscheiden.
Newcomerin Marie Sophie Koop ist mit ihrer Slam-Premiere trotzdem zufrieden: "Dat wörr ik geern nochmol maken!", zieht sie ihr persönliches Fazit.