Plautdietsch: Nicht nur Sprache, sondern ganze Kultur
Plautdietsch ist die Sprache der Russlandmennoniten, eine Variante des Niederdeutschen. Weltweit sprechen rund eine halbe Million Menschen die Sprache, unter anderem in Kanada, Südamerika und Deutschland.
Plautdietsch ist auch die Muttersprache von Elina Penner. Die 35-Jährige lebt in der Nähe von Minden, ist 1991 mit ihrer Familie als Aussiedlerin aus Russland nach Ostwestfalen gekommen - und hat ihre Erfahrungen, ihre Lebensrealität, ihre Kultur in einem Roman verarbeitet: "Nachtbeeren", ausdrücklich nicht autobiografisch. Aber mit vielen Wörtern und Ausdrücken in ihrer Muttersprache.
Die meisten von uns sagen, wir sind in unserem Heimatland, wir haben unser Heimatland vermisst, also haben wir das Exil verlassen, um in die Heimat zurückzukehren. (...) Ich weiß, dass es dens ehr Hus in Russland war, aber ich kann mich nicht daran erinnern, so wie ich mich nicht an mein Elternhaus erinnern kann.
Historische Parallelen zum Gebrauch von Plattdeutsch
Mit ihrem Roman stand Elina Penner im November auch auf der Bühne der Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung in Berlin: beim traditionellen niederdeutschen Get-Together "Platt in uns Tied" in der Hauptstadt.
Und obwohl sie keinen direkten Bezug nach Schleswig-Holstein oder zur plattdeutschen Community habe, sei ihr schnell eine Parallele bei der Großelterngeneration aufgefallen: "Da gab's ja Bemühungen, das Plattdeutsche auszuschalten und das war bei Russlanddeutschen ganz ähnlich. Das war fast schon ein Gefühl von Scham, das mit der Sprache verknüpft war. Und in unserem Fall auch noch die Angst vor Verfolgung."
Neue Medien helfen bei Spracherhalt
Bis heute gibt es Familien, in denen Plautdietsch so gut wie gar nicht mehr gesprochen werde, erzählt die Autorin. Gleichzeitig gebe es aber auch ähnlich wie in anderen Minderheitensprachen große Bemühungen zum Erhalt der Sprache: Radiosender oder Videoformate beispielsweise, "aber vor allem das Internet! Das rettet die Sprache gerade ein bisschen, das macht sie wieder cool. Aber wenn sie zu Hause nicht gesprochen wird, dann ist sie irgendwann weg."
Ganz eigene Kultur hinter der Sprache
Ähnlichkeiten also bei der Sprache, nicht nur was den Klang angeht. Was im Gespräch mit der Autorin aber auch deutlich wird: Anders als beim Plattdeutschen ist mit dem Plautdietschen eine ganz eigene Kultur verbunden: eigene Gerichte, Traditionen, Feste, Sonntage mit der ganzen Familie bei Öma mit sehr viel Essen, mit Nachtbeerplautz, Köttleten, Floysch und Sokatje.
Kleine Unterschiede, die doch eine Menge ausmachen: "Je älter ich werde, umso mehr fällt mir auf, dass ich doch anders aufgewachsen bin. Ich habe eine sehr große Familie, viele Cousinen und Cousins, und in den letzten Jahren verbringe ich noch mehr Zeit mit denen", erzählt Elina Penner.
Roman erzählt typische Familiengeschichte
Ihre Kultur schwingt im Roman "Nachtbeeren" ganz selbstverständlich mit, ohne das zentrale Thema zu sein. Denn eigentlich erzählt die Autorin eine ganz typische Familiengeschichte, die auch in jedem anderen Kulturkreis, in jeder anderen Region spielen könnte.
Trotzdem bekommt sie besonders viele Zuschriften von Millenials mit plautdietschem Hintergrund: "Die finden sich im Buch genau wieder. Denn Zugänglichkeit ist so ein wichtiger Faktor. In meinem Buch ist es mal ein jüngerer Zugang zu dieser Thematik." Und den Austausch zwischen den Kulturen, das gegenseitige Verständnis fördert Elina Penner mit ihrem Roman ebenfalls.