NVB Geesthacht lebt von familiärem Miteinander
Bei der Niederdeutschen Volksbühne Geesthacht (NVBG) sind sich alle einig: die Gemeinschaft über mehrere Generationen hinweg mache den Verein aus. Bei den Stücken setzt die Bühne auf Klassiker und Modernes.
Das aktuelle Frühjahrsstück, "Allens in Botter", ist gerade wieder eines der moderneren, schnellen Boulevardstücke. Seit Monaten sind die Mitglieder schon mit Bühnenbau, Kostümen und Feinheiten in der Inszenierung beschäftigt - und dabei machen sie alles selbst: "Mondaags is Bühnenbo, dingsdaags un donnersdaags is Proov", sagt Norbert Kurtz. Er ist seit 1959 Mitglied der Volksbühne und damit sozusagen Dienstältester.
Rückblick auf über 100-jährige Geschichte
Gegründet wurde die NVBG schon 1919, damals als "Unterhaltungsverein Fidele Welt". Die ersten drei Jahre spielte man noch hochdeutsche Stücke, ab 1922 dann ausschließlich op Platt. Was in der seitenlangen Chronik zum 100-jährigen Jubiläum immer wieder heraussticht: die Gemeinschaft der Spielerinnen und Spieler. So versteckten die Mitglieder 1935 Kulissen und Unterlagen vor den Nazis, trotz der Aufforderung, sämtliches Spielmaterial zu vernichten.
Ende 1945 ging es dann wieder los mit dem Theaterbetrieb: Die erste Aufführung nach dem Krieg war vor Verwundeten im Lazarett. Ihnen kamen auch alle Einnahmen des Vereins bis 1947 zugute, das Lazarett kaufte davon Medikamente. Das Publikum musste derweil zu den Aufführungen neben dem Eintrittsgeld auch Holz und Briketts mitbringen, sonst wäre es kalt geblieben im Saal.
Familiäres Miteinander von Jung und Alt
Dieser Gemeinschaftssinn der aktuell etwa 40 Bühnenmitglieder hat sich über die Jahrzehnte gehalten, bis heute. "Wi seggt sülvens, dat wi een grode Fomilie sind. Jedeen vun uns hett een Anspreekpartner, ok mol för private Saaken", erzählt Claudia Müller. So gelinge es auch immer wieder, neue Mitglieder zu akquirieren - ganz egal, ob für die Bühne oder die Arbeit hinter den Kulissen. Und wie in einer richtigen Familie gibt es bei der NVBG ältere und jüngere Mitglieder, fasst Vorsitzender Marcel Jammer zusammen:
"Wi sind ole Lüüd, junge Lüüd un wi hebbt eenfach bannig veel Spaaß tosomen. Wi sind een."
Mit 35 Jahren ist er selbst eines der jüngsten Mitglieder und seit 2022 Vorsitzender der Geesthachter Bühne. Skepsis von älteren Mitgliedern habe er hier nie erlebt: "De Olen un de Jungen arbeiten tosomen. Hier gifft dat keen 'Dat weer jümmers so', jede Idee warrt opnahmen un wi kiekt tosomen, of dat geiht oder nich." Trotzdem: dass er mal Vorsitzender der Bühne werden würde, hätte er nie gedacht, sagt Marcel Jammer.
Wechsel von Boulevardstücken und Klassikern
Norbert Kurtz hat damals zumindest schon das Potential als Schauspieler beim heutigen Vorsitzenden erkannt, als er bei ein paar kurzen Sketchen auf der Bühne stand. "Un woans de sik entwickelt hett! Ik finn dat fantastisch", sagt der 81-Jährige. Claudia Müller stimmt ihm gern zu: "De jungen Lüüd nutzt notürlich ok de Social-Media-Kanals, dat höört hüüt jo ok dorto. Dorüm is dat een groden Gewinn för uns." Denn so schaffe man es, auch jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer anzulocken.
Das gelingt auch durch die Abwechslung bei der Stückauswahl: mal moderner, mal ein Klassiker. Arne Kloodt ist mittlerweile seit über 30 Jahren bei der NVBG, führt regelmäßig auch Regie. "Ik mag de Boulevardstücken, de ut't Englische kaamt, so gern, un ok politische Stücken", zählt er auf - und gleichzeitig hat er sich fest vorgenommen, in Geesthacht den Klassiker "Sluderkraam in't Treppenhuus" zu inszenieren: "Ik gööv, dat maak ik in twee, dree Johrn, denn is dat för mi fällig."
Eigene Theaterwerkstatt bietet viel Freiraum
Was bei allen Inszenierungen ein großer Vorteil sei: die eigene Theaterwerkstatt mit Kostümfundus, Möbellager, kleinem Zuschauerraum und Probebühne. Die bietet sogar Platz für das zwölf Meter breite Bühnenbild - das dann wiederum vor den Aufführungen in Einzelteile zerlegt und ein paar hundert Meter weiter im kleinen Theater Schillerstraße (kTS) wieder aufgebaut werden muss. Dort spielen die Aktiven der NVBG jedes Jahr zwei Stücke in rund 20 Aufführungen. "Dat is'n groden Vördeel, dat wi dor ok de Technik nutzen köönt", meint Claudia Müller - "un dat wi hier bi uns een to een proven köönt", ergänzt Arne Kloodt. Nur die 290 Plätze im Saal, die müsse man sich bei den Proben natürlich nur denken.
Norbert Kurtz steht zwar mittlerweile nicht mehr als Darsteller auf der Bühne, erinnert sich aber zu gern an das Gefühl nach einer Vorstellung: "Een weet jo gor nich, woans de Lüüd dat annehmen, un wenn een denn markt, de Funken is översprungen un de Lüüd bringt dat torüch, denn kann een sik ok noch mehr entfalten. Mensch, nix is schöner!"
Die nächste Inszenierung der Niederdeutschen Volksbühne Geesthacht, "Allens in Botter", ist ab dem 1. April 2023 im kleinen Theater Schillerstraße zu sehen.