Ein niederdeutscher Sprachatlas für Norddeutschland
14 Jahre Arbeit in einem großen Team an zwei Universitäten: Der niederdeutsche Sprachatlas war ein Langzeitprojekt. Prof. Dr. Michael Elmentaler aus Kiel ist einer der Herausgeber.
Plattdeutsch würde aussterben, sagen die einen. Andere kritisieren gern, dass gar kein richtiges Platt mehr gesprochen werde, sondern die Regionalsprache zu sehr mit dem Hochdeutschen vermischt werde. Wie es aber wirklich ums Niederdeutsche steht, das zeigt der große Norddeutsche Sprachatlas, an dem Michael Elmentaler und sein Team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gearbeitet haben.
Plattdeutsche Beispielsätze wurden miteinander verglichen
Das Prinzip: die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich Probanden in ganz Norddeutschland gesucht. Die mussten dann bestimmte Sätze ins Plattdeutsche übersetzen - ein Test, der genau so schon in den 1870er-Jahren gemacht wurde. Das ermöglicht nun den Vergleich, wie sich die Sprache entwickelt hat. Dazu kamen Interviews, ein Vorlesetest und lockere Tischgespräche.
Eines der Ergebnisse: "Das aktuell gesprochene Niederdeutsch hat sich natürlich manchmal ein bisschen dem Hochdeutschen angenähert", berichtet Michael Elmentaler. So werde in einigen Regionen eher ein 'sch' statt einem 's' vor den Buchstaben 'l', 'm', 'n' und 'w' gesprochen. Ganz konkret heißt das, "dass es diesen Laut als 'Snee', 'swatt', 'slecht' im tatsächlichen Sprachgebrauch gar nicht mehr so präsent gibt, sondern dass der eben häufig als 'Schnee', 'schwatt', 'schlecht' realisiert wird", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Viola Wilcken.
Auch Hochdeutsch kann Plattdeutsch sein
Allerdings habe es das so auch schon im 19. Jahrhundert gegeben, so Michael Elmentaler - und deswegen sei auch das immer noch Plattdeutsch. Und flüssig gesprochenes Platt bleibt selbst dann Platt, wenn hochdeutsche Wörter wie "Ministerpräsident" oder "Bushaltestelle" darin vorkommen.
Was bei vielen Niederdeutschen hingegen nicht so gut ankomme, seien moderne Neuschöpfungen von Wörtern: 'Huulbessen', 'Klapprekner' und 'Ackerschnacker' haben es zumindest nicht in den Wortschatz der Probanden geschafft.
Manche Laute bleiben, manche verschwinden langsam
Ein Merkmal, das typisch für Schleswig-Holsteinisches Plattdeutsch ist: das weiche 'b' anstelle von 'p' oder das weiche 'd' anstelle 't', erklärt Michael Elmentaler: "Dass nicht 'beter'‘ gesprochen wird, sondern 'beder'‚ 'en beden'", so der Sprachwissenschaftler. Das fiel im Beispielsatz einer Frau aus Schleswig direkt auf: "Dann warrt dat Wedder beder."
Einige Laute und Ausprägungen seien aber auch verloren gegangen, sagt Viola Wilcken: "Wenn die Menschen älter sind, dann rollen sie ihr 'r' häufig noch. Das ist ein Merkmal, was ganz deutlich zurückgegangen ist."
Fortlaufende Entwicklung ist ein Zeichen für lebendige Sprache
Auf der einen Seite sei das sehr schade, wenn Varianten verschwinden, meinen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Michael Elmentaler führt dafür noch das Beispiel 'Bruder' an: "Dafür gibt es heute fast nur noch die Aussprache 'Broder'. Früher gab's aber auch noch 'Brauder' und 'Broler' und 'Brorer' und 'Broor'".
Auf der anderen Seite sei aber genau das nun mal typischer Sprachwandel, so der Professor. Und das zeige dann auch: Plattdeutsch lebt nach wie vor. Wo und wie, das kann man nun im Norddeutschen Sprachatlas nachlesen - und nachschauen: denn die Entwicklungen und Unterschiede sind auf etwa 200 Karten und 100 Diagrammen veranschaulicht.