Ein Leben fürs Plattdeutsche: Trauer um Wolfgang Börnsen
82 Jahre alt ist er geworden: Wolfgang Börnsen aus Bönstrup. Der CDU-Politiker saß mehr als 25 Jahre im Bundestag, blieb seiner Heimat Angeln aber immer treu verbunden. Am Sonnabend ist er verstorben.
Meist nannte er seinen Namen und seinen Heimatort in einem Atemzug: Wolfgang Börnsen aus Bönstrup. Denn mit seinem Interesse für die Heimatgeschichte Angelns und die plattdeutsche Sprache war er auf vielen Ebenen aktiv: Als Autor geschichtlicher Romane, als Theaterregisseur, als Ehrenvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Volkskundliche Sammlungen im Kreis Schleswig-Flensburg - auch er selbst betrieb ein kleines Dorfmuseum.
Einsatz für seine Muttersprache im Bundestag
Eine erste Sternstunde von "Börnsen Bönstrup" liegt bereits 30 Jahre zurück: 1994 hielt der Politiker im Parlament eine komplette Rede auf Plattdeutsch. Der Anlass: Mehrere Bundesländer wollten der Europäischen Sprachencharta beitreten, um das Plattdeutsche zu schützen und zu fördern. Börnsen betonte dabei, dass es sicher auch wichtigere Themen gebe, aber der Erhalt einer Muttersprache viele Menschen bewege: "Denn Moderspraak is: to Huus sien, een Barg von Seekerheit hebben, een Stück Heimat beholen." Im Transkript der Sitzung ist daraufhin "Beifall im ganzen Haus" vermerkt.
"As anner Lüüd dat Wort Sprakenpolitik noch gor nicht kennt hett, hett he jüst dat makt - sik op't politische Flach för uns Regionalspraak intosetten. Bunnsdagsdebatten op Platt - dat weer sien Verdeenst as Bunnsdagsaforneter. Ok in uns Land hett he grote Verdensten doran dat uns Spraak vun de Politik vundaag wohrnahmen warrt." Marianne Ehlers, Mitglied im Plattdeutschen Rat
Marianne Ehlers, Mitglied im Plattdeutschen Rat Schleswig-Holstein und im Bunnesraat för Nedderdüütsch, macht deutlich: Diese Rede hallt bis heute nach.
Große Liebe fürs Niederdeutsche Theater
Und das nicht nur auf politischer Ebene: Auch der Niederdeutsche Bühnenbund Schleswig-Holstein trauert um "en röhrigen Macker un Maker", wie Vorsitzende Gesa Retzlaff es formuliert. Jahrelang leitete Börnsen die Nordangler Speeldeel, außerdem stand er dem Bühnenbund von 2013 bis 2017 vor, ehe Retzlaff übernahm.
"Mit Drift un Pli, de Wolfgang bi all sien Warken utmaakt hett, weer em dat ümmer dor um to doon to wiesen, wat för en besunnere Knööf un Neegde in unse Regionalspraak steken deit. He hett ehr - ok mit egen Stücken un Themen - in'n wohrsten Sinn vun't Woort geern en besunnere Bühne geven, toletzt för Boy Lornsen 'Sien Schöpfung' mit en multimediale Spektakel, as he dat sülven nöömt hett, in de Grundhofer Kark." Gesa Retzlaff, Vorsitzende Niederdeutscher Bühnenbund
Er habe eine ganze Menge in der niederdeutschen Theaterlandschaft bewegt, meint Retzlaff: Unter anderem setzte sich Wolfgang Börnsen dafür ein, dass Niederdeutsches Theater 2014 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde. Und: Er führte bis zuletzt noch Regie bei der Nordangelner Speeldeel.
Politiker, Maurer, Pädagoge und Schriftsteller
Darüber hinaus lieferte er Lesestoff über seine Heimat. Die Angeln-Saga ist ein Roman in vier Teilen, in dem es um die Auswanderung der Angeliter nach England geht. Börnsen, der auf einem großen Hof lebte, stellte sich vor, wie es zwischen Schlei und Förde wohl vor 1500 Jahren ausgesehen hatte.
Sein Werdegang war facettenreich: Nach der Maurerlehre wurde er Assistent für Gruppenpädagogik auf dem Jugendhof Scheersberg, schließlich wurde er Realschullehrer, leitete Entwicklungshilfearbeit in Indien. Sein geschichtliches Interesse erstreckte sich auch auf andere Epochen: Er schreib ein Buch über die letzte Reichsregierung in Flensburg, und auch eines darüber, wie das Leben eines "einfachen" regionalen Abgeordneten so abläuft.
Prägend auch für die Kommunalpolitik
Denn genau das war er mit voller Überzeugung - mit Themen von Butterfahrten bis zum Kraftfahrtbundesamt in Flensburg. 26 Jahre lang saß er im Bundestag. Zum ersten Mal 1987, als sich Wolfgang Börnsen im Direktmandat gegen SPD-Urgestein Egon Bahr durchsetzte. Da war Thomas Jepsen - heute stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender von Schleswig-Flensburg und Landtagsabgeordneter - noch ein Jugendlicher.
"Insofern hat er meine Generation geprägt und war für mich auch immer eine Art Vorbild. Ich erinnere mich an einige Abstimmungen, wo er auch seinem Gewissen gefolgt ist und nicht unbedingt der Empfehlung der Fraktion, zum Beispiel bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr." Thomas Jepsen, CDU-Kreisvorsitzender von Schleswig-Flensburg
Weil er die Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehnte, eckte Börnsen in seiner Partei an. Er hakte im Untersuchungsausschuss nach, als es um U-Boot-Lieferungen nach Südafrika ging - damals noch Appartheitsstaat. Auch mit der Haltung zum Angriff der USA auf den Irak blieb er 2003 konsequent: "Ich bin anderer Auffassung. Ich glaube, dass es richtig ist, dass man kritisch und mit Distanz den Krieg der Amerikaner im Irak beurteilt."
Ein großer Verlust für Schleswig-Holstein
Es gab auch leichtere Themen. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl soll Börnsen in einer Fraktionssitzung eine Rüge erteilt haben, weil er die Erotikunternehmerin Beate Uhse für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hatte. Sie bekam es kurze Zeit später trotzdem.
In seinem letzten Buch "Der unbequeme Demokrat" hat Börnsen seine Erfahrungen notiert, um sie an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Darin erörtert er auch Ideen, wie sich das Parlament weiterentwickeln kann. Mit Wolfgang Börnsen verliert Schleswig-Holstein ein Original, einen Mann, der Politik und Kultur geprägt hat.