Omer Meir Wellber: Mozarts Don Giovanni als Hitchcock-Soundtrack
In zwei Jahren wird Omer Meir Wellber Nachfolger von Kent Nagano als Chefdirigent an der Hamburgischen Staatsoper. Am Dienstag konnte man ihn mit der Deutschen Kammerphilharmonie beim Musikfest Bremen in der Glocke erleben.
Vom ersten Ton an ist da Spannung! Suspense! Bei Omer Meir Wellber klingt Mozart wie ein Hitchcock-Soundtrack. Die Don Giovanni-Ouvertüre wird bei ihm zum Psycho-Thriller. Er kitzelt aus der Bremer Kammerphilharmonie die Abgründe der Partitur heraus - mit Lust an der Dissonanz und mit Geigen wie singenden Sägen. Orchester und Publikum sitzen von der ersten Sekunde an auf der Stuhlkante.
Perfekte Harmonie mit Hilary Hahn
Bei der 2. Sinfonie von Schubert tanzt und hüpft der schlanke, sportliche Typ am Dirigentenpult, buckelt sich rumpelstilzchenhaft oder baut sich mit aufgerissenen Augen vor dem Orchester auf, als wolle er die Ersten Geigen erschrecken. Das Ganze ist eine eigene spektakuläre Choreografie. Man hat großen Spaß, ihm zuzusehen, wie er aus dem Orchester so die letzten zehn Prozent herausholt.
Bei Mozarts Violinen-Konzert gelingt es Meir Wellber so auch, die sehr kontrollierte Hilary Hahn immer wieder aus der Reserve zu locken - besonders im dritten Satz treffen sich Solistin und Orchester im selben Aggregatzustand. Und auch aus einem vergleichsweise unspektakulären Notenbild, wie dem der 1. Sinfonie des achtjährigen Mozart, macht Meir Wellber mit ausgeklügelter Dynamik und viel Witz ein aufregendes Stück Musik.
Die ursprünglich geplante Uraufführung eines Werks für Violine, Akkordeon und Orchester von Aziza Sadikova fiel aus, weil Hilary Hahn im Probenprozess von einer Corona-Erkrankung aus der Bahn geworfen wurde.
Omer Meir Wellber: "Die erste Spielzeit in Hamburg steht schon"
Das Publikum, das wegen Hilary Hahn gekommen ist und den Namen des israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber im Programmheft noch mal genau nachlesen muss, ist vom charismatischen Mann am Pult hingerissen. Gegen alle Etikette wird schon nach dem ersten Schubert-Satz spontan geklatscht. "Oh!", seufzt die Frau nach dem letzten Ton - und genau so war es.
Das Ganze ist nicht nur Show. Man spürt: Omer Meir Wellber arbeitet mit den Musikern sehr genau, er hat einen Plan. Auch die Pläne für seinen Start als Musikchef in Hamburg mit dem neuen Opernintendanten Tobias Kratzer in zwei Jahren stehen schon: "Die erste Spielzeit ist schon komplett, abgesehen vielleicht von ein paar Kleinigkeiten hier und da", sagt Meir Wellber. "Wir haben zwar noch zwei Jahre, es wird aber auch schon eng."
Dirigent spielt rührende Zugabe mit Akkordeon
Zur Zugabe spielt Omer Meir Wellber dann selbst. Er hat sein Akkordeon mitgebracht - für ein "Ave Maria" von Piazzolla. Wer da nicht gerührt ist, sollte mal zum Kardiologen. Und wirklich: Viele im Publikum wischen sich verstohlen ein Tränchen aus dem Auge. Zwei Jahre sind es noch, bis Wellber als Generalmusikdirektor an die Hamburgische Staatsoper kommt - natürlich auch mit seinem Akkordeon im Gepäck. Nach diesem Abend beginnt man, die Tage zu zählen.