Stand: 07.11.2019 13:53 Uhr

Raubkunst in der DDR: Das unerforschte Kapitel

von Karin Erichsen

Das Thema Kunstraub in der DDR ist auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch weitgehend unerforscht. Das ist das Fazit einer Podiumsdiskussion mit Experten, zu der am Mittwoch die NDR Redaktion Museumsdetektive zusammen mit dem Staatlichen Museum Schwerin eingeladen hatten. Zu Gast war auch die Enkelin des Malers Otto Nagel, deren Familie seit 1989 vergeblich versucht, vom SED-Regime enteignete Werke zurück zu erlangen. Karin Erichsen berichtet von einem spannenden Themenabend im Staatlichen Museum Schwerin.

VIDEO: Wie Kunst in der DDR zu Volkseigentum wurde (6 Min)

Der Fall Otto Nagel

Otto Nagel war ein zu DDR-Zeiten weit bekannter und geschätzter Künstler. Er wollte, dass die Familie sein Werk und sein Atelier nach seinem Tod in einer Stiftung verwaltet und weiter zeigt. Es kam jedoch anders. Salka Schallenberg, die Enkelin des Künstlers, erzählte der Podiumsdiskussion, wie mit ihrer Mutter, der Erbin, verfahren wurde: "Im Januar 1984 kam eine große Kommission unter Leitung von Kurt Löffler vom Ministerium für Kultur der DDR. Man setzte einen Wert von 1,6 Millionen DDR-Mark fest. Dann sagte man meiner Mutter, wenn sie die Bilder in Höhe dieses Wertes herausgebe, würde man ihr die Steuern erlassen."

Ausmaß des Kunstraubes noch kaum zu überblicken

Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste © dpa Foto: Arno Burgi
Laut Uwe Harmann vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste sind die Exponate in kleineren Museen zum großen Teil noch nicht wissenschaftlich bearbeitet.

Die Mutter gab die Bilder heraus, denn Steuern hätte sie nicht bezahlen können. Ähnliche Vorgänge spielten sich hundertfach ab, das Ausmaß des Kunstraubes durch das SED-Regime können Experten bislang kaum überblicken. Es habe 1949 im Zusammenhang mit der Bodenreform begonnen, bei der unter anderem Großgrundbesitzer entschädigungslos enteignet wurden, sagt Uwe Hartmann, Leiter der Provenienzforschung am Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste. Dabei seien auch Millionen von Kunstgegenständen aus Schlössern und Herrenhäusern in Staatseigentum übergegangen. "Diese befinden sich zum sehr, sehr großen Teil bis heute in Museen, überwiegend in den kleineren Häusern", sagt Hartmann. "Zum großen Teil wurden die Stücke nicht wissenschaftlich bearbeitet."

 Das Problem mit dem Nachweis von Ansprüchen

Otto Nagel (l) 1960 in Berlin im Gespräch mit dem Kunsthistoriker Richard Hamann. © dpa - Bildarchiv
Otto Nagel (li.) - hier im Gespräch mit dem Kunsthistoriker Richard Hamann - gehörte zu den bekanntesten Künstlern der DDR.

Auch später gingen Kunstwerke, die Menschen bei ihrer Flucht oder ihrer Ausreise aus der DDR zurücklassen mussten, grundsätzlich in Staatseigentum über. Nach dem Mauerfall konnten die Erben bis 1993 Rückerstattung oder Entschädigung beantragen. Allerdings mussten sie ihren Anspruch beim Amt für offene Vermögensfragen nachweisen. Erfolgreich waren vor allem die ehemaligen Fürstenhäuser, bilanziert Uwe Hartmann, viele andere scheiterten mit ihren Anträgen aufgrund der komplizierten Aktenlage.

Auch bei Salka Schallenberg fehlten wichtige Unterlagen. Inzwischen hat sie aber Akten mit einem internen Schriftverkehr gefunden, der die widerrechtliche Aneignung der Bilder Otto Nagels beweist.

Forschungsprojekt soll Leitlinien erstellen

Ein auf zwei Jahre angelegtes Forschungsprojekt soll in Schwerin ab 2020 Leitlinien für die Provenienzforschung erstellen, speziell für die Zeit zwischen 1949 und 1989. Die Museen wollen sich ihrer Verantwortung stellen. Ob die Forschungsergebnisse anschließend auch politische Auswirkungen haben werden und die Erben doch noch auf Rückgabe und Entschädigung hoffen können, bleibt abzuwarten.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Kulturjournal | 07.11.2019 | 19:00 Uhr

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