Ausstellung "Übermalt": Traumatherapie für inhaftierte Frauen
Bilder von Tizian, Manet oder Picasso sind die Grundlage einer Ausstellung, die gerade in Visbek im Landkreis Vechta zu sehen ist. Insassinnen der Frauen-JVA Vechta haben die Werke umgedeutet.
Eine Frau liegt auf einem Bett, von einem weißen Laken bedeckt. Die Augen sind geschlossen. Sie sieht friedlich aus. Doch durch ein Loch in einer Zimmerwand beobachtet sie heimlich ein Mann. "Vorstellung" heißt das Gemälde von Niklaus Stoecklin. Aus einer Kopie dieses Kunstwerks hat eine Insassin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta ein neues Bild geschaffen. Auf dem die Frau nicht mehr zu sehen ist. Kunsttherapeutin Teréz Fóthy deutet das so: "Die Frau verschwindet, weil die Frau in der Realität nie von dem Mann gesehen wurde - als Individuum."
Die Insassin, die dieses Bild gestaltet hat, erzählt die Kunsttherapeutin, hat sich nie von ihrem Mann wahrgenommen gefühlt. In diesem Kunstwerk haben sich viele der Insassinnen der JVA wieder erkannt, sagt Fóthy. Denn viele Frauen kommen mit traumatischen Erfahrungen in die JVA. Aus der Kindheit und der Jugend. Psychiater Thomas Heinz erlebt das in seiner Arbeit als Traumatherapeut sowohl in der JVA als auch in der Fachklinik, die er leitet: "Sexualisiserte Gewalt ist für Frauen in Deutschland - auf für Männer - aber häufig eben doch für Frauen ein ganz ganz massives Problem. Das heißt, Mädchen, Frauen, wachsen damit auf und viele machen eben mit Männern sehr üble Erfahrungen."
Kunstworkshop: "Bilder für sich in Ordnung gebracht"
Die Therapeuten Thomas Heinz und Teréz Fóthy arbeiten im Vechtaer Frauengefängnis zusammen. Er leitet dort das Modellprojekts "Traumatherapie für inhaftierte Frauen". Sie arbeitet kunsttherapeutisch mit den Insassinnen. Im Austausch entstand die Idee zu der Ausstellung. Außerdem holte Heinz die gebürtige Argentinierin an seine Klinik in Visbek. 100 Frauen sind dort in der Rehabilitation - 85 Prozent von ihnen haben eine manifeste Traumafolgestörung.
"Das Wesen von Trauma heißt ja, dass bestimmte Dinge nicht versprachlicht werden können und das Gehirn an dem Punkt quasi sich abschaltet. Und da ist die verbale Psychotherapie ganz schnell an ihren Grenzen", erklärt Heinz. Dort setzt die lösungsorientierte Kunsttherapie an. In dem konkreten Fall der Ausstellung: Die Frauen haben sich in einem Kunstworkshop ein Bild ausgesucht. Sie haben es verändert, neu gemalt, es umgestaltet. Fóthy sagt, so haben sie die Bilder für sich in Ordnung gebracht. Viele Frauen hatten den ersten Impuls, nackt abgebildeten Frauen etwas anzuziehen. Einen Bikini, Engelsflügel, ein langes Kleid.
Chance zur Auseinandersetzung mit Themen wie Schuld, Sucht und Trauma
Sie sind Türöffner. Verdrängtes komme wieder an die Oberfläche und könne dann auch wieder verbalisiert werden, sagt Heinz. Der Traumatherapeut ist sich sicher: Nicht nur die Insassinnen der JVA, sondern auch seine Patientinnen, die eine Suchterkrankung haben, können von dieser Form der Therapie profitieren. Und er sieht die Ausstellung als Chance für alle, sich mit Themen wie Schuld, Sucht und Trauma neu auseinanderzusetzen: "Wenn sie Menschen haben, die andere Menschen umgebracht haben, das sind dann ganz klar die Täter. Aber wenn man in deren Lebensgeschichte guckt, gibt es auch Anteile, wo sie gar keine Täter waren, z.B. als Kinder - da waren sie Opfer."
Ein Trauma könne man nicht wegzaubern, aber Betroffene könnten den Blick auf sich selbst verändern. Ein neues Selbstbewusstsein bekommen. Heinz wünscht sich, dass die Ausstellung auch Besucherinnen und Besuchern einen neuen Blickwinkel eröffnet. Sein Ziel ist es, irgendwann auch Bilder seiner Patientinnen aus Visbek auszustellen.
Ausstellung "Übermalt": Traumatherapie für inhaftierte Frauen
Insassinnen der Frauen-JVA Vechta haben die Werke von Tizian, Manet oder Picasso umgedeutet, übermalt, collagiert - als Traumatherapie.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ort:
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Fachklinik St. Vitus
- Hinweis:
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