Stand: 17.02.2024 08:01 Uhr

Assoziativ und verrätselt: Doppelausstellung "Der heimliche Kaiser"

von Janek Wiechers

Der Kunstverein Goslar im Mönchehaus und das Museum für Photographie in Braunschweig zeigen in einer gemeinsamen Doppelausstellung Arbeiten des niederländischen Künstlers Marcel van Eeden.

Ein schwarzer Löwe thront auf einem hohen Sandsteinsockel. Der niederländische Künstler Marcel van Eeden hat den mittelalterlichen Burglöwen in Braunschweig, Machtsymbol Heinrich des Löwen, von schräg hinten, und stark untersichtig, vor einem dramatischen Himmel abgelichtet. Während der schwarze Bronzelöwe völlig kontrastlos und ohne Detailzeichnung ist, erhellt hartes Schlaglicht die Säulen des Fundaments.

Gummidruckverfahren von 1850

Nicht minder geheimnisvoll wirkt ein Foto zweier Reiterstandbilder vor der Kaiserpfalz in Goslar. Kaiser Barbarossa und Kaiser Wilhelm I. Sie sind ebenfalls von hinten abgebildet, weiß schimmernd vor einem pechschwarzen, menschenleeren Hintergrund. Sie wirken wie eingefroren in der Zeit, wie aus einem surrealen Traum. Und das liegt vor allem an der besonderen Technik, die Marcel van Eeden für seine Bilder nutzt - den Gummidruck, der 1850 erfunden wurde. "Das ist eine sehr künstlerische Technik, die sehr atmosphärische Bilder zulässt. Und ich habe sie jetzt wieder aufgenommen, weil ich es zu Hause selbst machen kann und nicht durch den Digitalprinter gehen will. Und auch die Farbe und die Oberfläche: Es gefällt mir einfach."

Flecken, Blasen und Schlieren erzeugen malerische Qualität

Das Gummidruckverfahren verleiht den Fotos eine malerische Qualität - Flecken, Blasen und Schlieren überziehen sie wie grafische Elemente. Van Eeden, der vor allem Maler und Zeichner ist, hat sich für die Doppelausstellung in Braunschweig und Goslar der Fotografie zugewandt. Er hat sich in beiden Städten für seine, eigens für die Jubiläumsschau angefertigte, Serie auf historische Spurensuche begeben - an Orten, die eine Historie und Entwicklung hin zum Nationalsozialismus dokumentieren, erzählt Barbara Hofmann Johnson, die Direktorin des Museums für Photographie in Braunschweig. Darunter seien auch die Vorstufen aus dem Kaiserreich, "die von den Nazis dann instrumentalisiert wurden, und als Utopie einer Weltherrschaft sozusagen mit dem eigenen Gedankengut verbunden wurden."

Weitere Informationen
Mit der Aufnahme "The Big Forget" über den Umgang mit Demenzerkrankten in Afrika gewann Lee-Ann Olwage den Preis für das beste Pressefoto Afrikas. © Lee-Ann Olwage, Bob & Diane Fund, for Der Spiegel Foto: Lee-Ann Olwage

World Press Photo: Oldenburg zeigt die besten Bilder der Welt

Es ist die wohl angesehenste Auszeichnung im Bildjournalismus. Jetzt werden die preisgekrönten Fotos in Oldenburg ausgestellt. mehr

Fotos rekonstruieren Geschichte

Der Künstler Marcel van Eeeden schaut ernst in die Kamera. © picture alliance/dpa/Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe/Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg Foto: Lukas Giesler
Marcel van Eeden ist eigentlich Maler und Zeichner. Für die Ausstellung in Goslar und Braunschweig hat er sich aber der Fotografie zugewandt.

In seiner Arbeit bezieht sich Künstler Marcel van Eeden auf ein Buch des Kunsthistorikers Julius Langbehn aus dem 19. Jahrhundert - "Rembrandt als Erzieher". In der Publikation erklärt Langbehn den holländischen Maler Rembrandt kurzerhand zum Deutschen, und träumt von einem "heimlichen Kaiser" als neuen Führer für das Volk. Das Buch wurde von den Nazis ebenso geschätzt, wie von Kunstpädagogen weit in die 1960er-Jahre hinein. Der Geisteshaltung Langbehns spürt van Eeden in Braunschweig und Goslar künstlerisch nach. "Diese zwei Städte: Braunschweig mit seiner Akademie für Jugendführung für die Hitlerjugend, die für mein Gefühl sehr viel vom Einfluss von der Erziehungsbewegung im Sinne Langbehns erlebt hat, und die Kaiserpfalz in Goslar, passen gut zu dieser Langbehn-Geschichte" betont der Künstler. "Diese Fotos versuchen diese Geschichte zu rekonstruieren. Es ist eine andere Art in die Geschichte einzutauchen."

Atmosphärisches und assoziatives Eintauchen in die Geschichte

Dieses Eintauchen passiert atmosphärisch, assoziativ und bisweilen verrätselt und lässt beim Betrachtenden Raum für Interpretation. Bettina Ruhrberg, die Direktorin des Goslarer Mönchehausmuseums findet van Eedens Ansatz gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Erstarkens rechtsradikaler Kräfte besonders spannend. "Dieses Thema nationalvölkischen Denkens, das bis in unsere heutige Zeit hineinreicht, interessiert van Eeden. Er stellt tatsächlich die Frage, in wieweit dieses Gedankengut noch Einfluss auf den heutigen Antisemitismus und Rechtspopulismus hat", sagt die Direktorin. Es ist das erste Mal, dass der Kunstverein im Mönchehaus in Goslar und das Museum für Photographie in Braunschweig eine gemeinsame Ausstellung ausrichten.

Weitere Informationen
Namentücher erinnern an den Widerstand in der NS-Zeit. © Screenshot

Schloss Reinbek: Namentücher erinnern an Widerstand in NS-Zeit

Eine Ausstellung im Reinbeker Schloss ehrt Menschen, die sich in Nazi-Deutschland gegen das Regime gestemmt haben - mit einem für sie gestalteten Namentuch. mehr

Assoziativ und verrätselt: Doppelausstellung "Der heimliche Kaiser"

Das Mönchehaus Museum in Goslar und das Museum für Photographie in Braunschweig zeigen Arbeiten des Künstlers Marcel van Eeden.

Datum:
Ende:
Ort:
Museum für Photografie
Helmstedter Straße 1
38102 Braunschweig
Hinweis:
Auch zu sehen im
Mönchehaus Museum Goslar
Mönchestraße 1
38640 Goslar
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 17.02.2024 | 08:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Fotografie

Ein leerer Bilderahmen hinter Polizei-Absperrband. © NDR Foto: Foto: [M] Aleksandr Golubev | istockphoto, David Wall | Planpicture

Kunstverbrechen - True Crime meets Kultur

Lenore Lötsch und Torben Steenbuck rollen spektakuläre Kunstdiebstähle auf. Sie nehmen uns mit an Tatorte, treffen Zeugen und Experten. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Charlie Hübner sitzt an einem Tisch. © Thomas Aurin

Charly Hübner als wandelbarer Antiheld in "Late Night Hamlet"

Munteres Late Night Geplauder trifft auf Shakespeare-Drama - so das Setting für den Solo-Abend im Schauspielhaus Hamburg. mehr