Müther-Bau in Schutow bekommt Ingenieurpreis

Stand: 14.08.2023 06:00 Uhr

Der ehemalige Messepavillon in Rostock-Schutow erhält den Publikumspreis der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern.

von Axel Seitz

Der Warnemünder Teepott, die Stadthalle Neubrandenburg, das Planetarium Wolfsburg, aber auch Gebäude in Libyen, Kuwait und Kuba - die Bauten des Bauingenieurs Ulrich Müther (1934-2007) werden auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung als technische Meisterleistungen nach wie vor bewundert. In Rostock-Schutow wurde der ehemalige Messepavillon umfangreich saniert. Jetzt erhält diese Leistung den diesjährigen Publikumspreis der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern.

Neben dem Publikumspreis verleiht die Ingenieurkammer noch einen Preis der Jury - der Gewinner hier wird im November bekanntgegeben, wenn die Ingenieurkammer ihr 30-jähriges Bestehen feiert.

Ein historisch bedeutender Bau

Eigentlich suchte Holger Junge nur einen neuen Standort für seinen Angelshop. Das, was der heute 51-jährige in Schutow fand, war ein ganz besonderes Objekt, erinnert er sich: "Ich weiß, was das für ein Gebäude ist, weil ich Neubrandenburger bin und wir dort die Stadthalle haben, die gerade auch saniert worden ist. Als ich das erste Mal beim Denkmalamt in Rostock war, sagte der junge Mann zu mir: 'Herr Junge, Sie haben ein Gebäude mit herausragender nationaler Bedeutung erworben. Wissen Sie das?' Nein, das wusste ich nicht."

Denn dieses Gebäude ist der allererste Bau des 2007 verstorbenen Ingenieurs Ulrich Müther, ein Prototyp, erklärt Carsten Grossmann: "Hier wurde noch ganz, ganz viel experimentiert. Es war der erste Hypar-Schalenbau dieser Art. Er hat alle Aufträge erst danach bekommen, danach auch erst seine internationalen Aufträge überall." Grossmann hat mit seinem Bad Doberaner Ingenieur-Büro die Sanierung des ehemaligen Messepavillons übernommen - ein Gebäude, das vor 57 Jahren errichtet wurde - als Ausstellungspavillon für das Bauwesen und die Mineralöl AG der DDR zur neuen Ostseemesse.

"Ein Glück, dass er noch existiert"

In den folgenden Jahrzehnten war dieser Pavillon unter anderem Lagerhalle und Autohaus - zuletzt stand das Gebäude rund zehn Jahre leer. Carsten Grossmann spricht von viel Glück, dass der Müther-Bau überhaupt noch existierte. "Vorhanden waren noch die Bodenplatte und die Tragschale des Daches, alles mit diversen Schäden. Die Stahlstützen-Konstruktion der Fassade waren teilweise in sehr angegriffenem Zustand. Aber so, dass wir nach den ersten Untersuchungen dann auch sagen konnten: Ja, wir können die Originalbauteile lassen, wenn wir sie reparieren, ertüchtigen", erinnert sich Grossmann.

Bauherr Holger Junge musste sich unter anderem alle Ziegel für den Sockel neu besorgen: "Am Ende haben wir die Ziegel, ich habe drei abgerissen und sie in ein Paket gesteckt und habe sie zu einem Hersteller geschickt, der sie brennt. Nur für uns, weil es die nicht gibt - zumindest nicht in dieser Form. Man bekommt neue und alte - aber eben das DDR- Format in genau dieser Farbe nicht mehr."

Hier konnte dann eine Firma in Sachsen helfen und brannte alle Ziegel neu. So konnte das Gebäude komplett saniert werden. "Nur das Dach, die Stahlträger und Stützen sind stehengeblieben. Alles andere ist neu", so Junge.

Die Sanierung dauerte länger als der Bau

Im September 2021 begannen die Bauarbeiten, ein Jahr später war der Müther-Bau wieder in den Originalzustand versetzt, allerdings mit einer Heizung und einer Lüftung auf dem neuesten Stand. 1966 ging es mit dem Bau damals bedeutend schneller, erzählt Grossmann: "Zwischen Auftrag an den Planer und Übergabe an den Bauherren sind es nur 160 Tage gewesen. In der Zeit bekommt man heute noch nicht mal eine Baugenehmigung."

Das Besondere an der Statik

Bei den vielen Besonderheiten eines Müther-Baus verweist Bauingenieur Carsten Grossmann hier in Schutow beispielsweise auf das Dach des Gebäudes: "Wir haben hier eine Betondachschale, die ist nur sieben Zentimeter stark als tragende Schale. Wenn das heute nach Statik gebaut werden soll, müsste die vielleicht 30, 35, 40 Zentimeter dick sein. Doch dann würde dieses Gebäude gar nicht stehen können."

Wer sich künftig mal in Rostock-Schutow zwischen Einrichtungshaus, Discounter und Baumarkt bewegt, sollte auch einen Abstecher zum Angelshop machen. Denn hier steht nicht nur der erste Bau des Binzer Bauingenieurs Ulrich Müther, sondern nun auch ein mit dem Publikumspreis der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnetes Gebäude.

Weitere Informationen
Der Architekt Ulrich Müther (1934-2007) am 7. Juli 2004 vor dem von ihm selbst in den 70er-Jahren konstruierten und 1981 aufgestellten futuristisch anmutenden Rettungsturm im Ostseebad Binz. © picture-alliance / dpa Foto: Stefan Sauer

Ulrich Müther: Der DDR-Pionier, der den Schalenbeton betonte

Der Bauingenieur hat unter anderem den Warnemünder "Teepott" geschaffen: Ulrich Müther aus Binz wurde am 21. Juli 1934 geboren. Bildergalerie

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Kulturjournal | 14.08.2023 | 06:20 Uhr

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