Lesen statt kleben: "Letzte Generation" kooperiert mit Museen
Bislang hatten Museen große Angst vor Aktionen der Klimaschützer von der "Letzten Generation". Am Sonntag aber, am Internationalen Museumstag, hatte man sich die Aktivisten sogar ins Haus geholt, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen für Klimaschutz. Auch die Hamburger Kunsthalle war dabei.
Die Aktion hieß "Ohne Klimaschutz kein Kulturgüterschutz". Initiiert von Gruppen wie der "Letzten Generation" und dem Internationalen Museumsnetzwerk ICOM lasen Vertreterinnen der "Omas gegen Rechts" oder der "Radikalen Töchter". Aber auch ganz normale Museumsbesucher waren eingeladen, Texte zum Klimaschutz vorzutragen, ganz bewusst an Orten wie der Hamburger Kunsthalle, wo Security-Mitarbeiter noch vor wenigen Wochen Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" schützen mussten.
Kein Kartoffelbrei und kein Klebstoff
Eimer mit Kartoffelbrei standen nicht bereit, kein Tomatenketchup, kein Klebstoff weit und breit. "Ich glaube, das ist für heute ein unausgesprochenes Gesetz", sagte Kunsthallenmitarbeiterin Anja Gebauer lachend. Sie hatte die Aktion koordiniert, die für sie ein echtes Anliegen ist. "Das sind Themen, die uns alle angehen und wir als Museum müssen dafür auch den Raum schaffen. Heute soll es ja auch darum gehen, dass Klimaschutz und Kulturgüterschutz zusammengehören."
Vier Stunden Dauerlesung
Denn die Gäste, die man sich mutig ins Haus geholt hatte, befanden sich von der Kunst weit entfernt: Im Foyer der Galerie der Gegenwart standen ein paar Stühle, ein kleines Podium, ein Mikrofon. Vier Stunden Dauerlesung an einem warmen Sonntag, relativ viel zahlendes Publikum in den Ausstellungen, während draußen Tausende Motorräder durch die Stadt knatterten, um die Harley-Days zu feiern. Fast trotzig wirkten die Worte des Sprechers der "Letzten Generation", Friedhelm Warneke-Kraas: "Wir sind friedlich, wir zerstören nichts, aber wir sind auf eine Art schon radikal. Das ist unsere Protestform, weil wir damit Aufmerksamkeit erzeugen."
Keine Sorge um Kunstwerke bei Kunsthallen-Direktor
Diese Aufmerksamkeit hatte der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alexander Klar, auch für sein Haus nutzen können. Schon seit den ersten Aktionen der "Letzten Generation". "Das ist jetzt sozusagen der Marsch durch die Institutionen", sagte er. "Wir sind davon ausgegangen, dass das ein anderes Format ist als das Protestformat. Insofern hatte ich wirklich keine Sorge um Kunstwerke. Meine größte Sorge waren immer Nachahmer, die irgendwelche Dinge verwechseln. Die 'Letzte Generation' hat ja ihre Aktionen tatsächlich aufmerksamkeitsstark, aber dabei immer unschädlich durchgeführt."
"Museen sind als symbolische Orte ganz wichtig"
Neben der Hamburger Kunsthalle haben sieben weitere Kunstmuseen den Sonntag für ähnliche Gastauftritte der Klimaschützer genutzt. Echte Gegner scheint sich dabei niemand ins Haus geholt zu haben. "Wir sind ja nicht nur mit der 'Letzten Generation' durch diese Aktion verbunden, sondern auch mit Fridays for Future, für die wir Plakate gehängt haben", erklärt Museumsdirektor Klar. "Ich finde, Museen sind als symbolische Orte ganz wichtig. Man merkt, dass die Gesellschaft sich gerade erhitzt. Das geschieht vor der Aura der Kunst, die wir hier zeigen und ich denke, ich bin nicht avantgarde, wenn ich behaupte, dass die Klimadiskussion gerade die wichtigste Diskussion ist, die wir hier führen."
Diskussion hätte mehr Publikum verdient
Eine Diskussion, die aber mehr Publikum verdient hätte. "Ich finde es traurig, dass so wenige Leute da sind, weil sich die Klimaschützer das leider durch ihre extremen Aktionen verscherzt haben. Sie sind in Misskredit geraten, obwohl der Klimaschutz ein überlebenswichtiges Thema ist", sagte eine Besucherin und eine andere meint: "Ich finde es extrem wichtig, dass der Protest dieser jungen Leute, die sich wirklich mühen, in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Das ist mein zentrales Anliegen, deswegen bin ich da und deswegen spreche ich mit vielen Leuten darüber."
Neben der Kunsthalle beteiligten sich sieben weitere Museen
Wenn das Klima kaputt ist, ist auch alles andere kaputt - auch die Kunst im Museum. Auf diesen Nenner konnten sich Aktivisten, Museumsleute und ganz normale Besucher bei der Dauerlesung in der Hamburger Kunsthalle einigen. Neben dem Museum in Hamburg hatten sich in Norddeutschland auch die Kunsthalle Rostock und das Europäische Hansemuseum Lübeck beteiligt. Bundesweit waren das Museum für Kommunikation in Nürnberg, in Köln das Museum Ludwig, das Museum für Völkerkunde in Leipzig, das Deutsche Hygienemuseum in Dresden sowie das Zeppelin Museum in Friedrichshafen bei der Aktion dabei.