Herbst in der Malerei: Zwischen Kitsch und Sehnsucht
Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler: Der Herbst ist da! Herbstliche Motive finden sich natürlich in der bildenden Kunst, aber kann das als Kategorie herhalten: Herbst oder Herbstfarben in der Kunst?
"Herbstfarben ist eine relativ neue Entwicklung. Die ist eigentlich erst mit den Impressionisten diskutiert worden, als die Künstlerinnen und Künstler raus gingen und in der Natur gearbeitet haben - und im Expressionismus natürlich auch", erklärt Ulrich Krempel, Kunsthistoriker und langjähriger Direktor des Sprengel Museums Hannover. "Denken Sie mal an Nolde, was der 'rumgeherbstet' hat. Da sind unglaubliche Mengen von Sachen da - und das mögen die Leute; die finden das toll. Das ist transferiert in eine andere gültige Form von Erleben."
Die Idealisierung des Herbstes
Eine der frühesten herbstlichen Darstellungen stammt vom Mailänder Maler Giuseppe Arcimboldo aus dem 16. Jahrhundert: ein Weintraubenhaupt, der Hinterkopf ein Kürbis, die Nase eine Birne, der Mund eine Kastanie im Stachelkleid. Dieser im Profil gemalte und aus essbarem herbstlichen Erntegut zusammengesetzte Kopf ist eine der frühesten Abbildungen, die sich ausdrücklich mit dem Herbst auseinandersetzt.
Die Idealisierung des Herbstes als buntes Spiel der Blätter, mit farbigen Drachen, die in die Lüfte steigen, mit satten Rot- und Gelb- und Brauntönen, dem weichen Licht und dem Gefühl von der Endlichkeit sowohl des Sommers als auch unserer selbst spielt sich jedoch meist nicht in Städten ab. "Wenn Sie sich das 19. Jahrhundert in Paris vorstellen: Wenn da der Herbst dargestellt wird, haben die Damen ein Pelzmäntelchen mit Kragen an und ein Hütchen auf und sitzen doch noch draußen und im Café", sagt Krempel. "Da ist nichts von Natur. Wir sitzen in den Städten und deshalb haben wir eine einigermaßen verquere Grunderfahrung von diesem Stückchen Jahresablauf, glaube ich."
Bob Ross und die Sehnsucht nach Gestaltung
Wir umkreisen die Frage, wie man über herbstliche Farbtöne in der Kunst sprechen kann. Ulrich Krempel bringt, nicht ohne Hintersinn, Bob Ross ins Spiel. Kitsch - oder? Aber was noch?
Kann es sein, dass dieser selbst ernannte Fernsehlehrer für das Befüllen von Leinwänden mit fröhlichen kleinen Bäumchen, herbstlich gefärbten Blättern und munteren Bächlein eine Sehnsucht stillt, indem er einlädt, einfach drauflos zu malen? "Das ist ein Gestaltungswille, der sich da zeigt", erklärt Krempel. "Diese Art von Ordnungskraft und Sehnsucht nach Gestaltung steckt in unglaublich vielen Leuten: all die Menschen, die irgendetwas tun. Häkeln, Stricken, Gärtnern, Beete anlegen, Bäume beschneiden: Das sind alles kreative Unternehmungen und insofern habe ich immer eine gewisse Achtung vor alldem. Ob man es nun hinterher mag oder für sich selber braucht, ist eine ganz andere Frage.
"We don’t make mistakes, we have happy accidents." Bob Ross
Erinnerungen an den Herbst
Beim Nachdenken über den Herbst erinnert sich Ulrich Krempel an eine Fahrt als Kurier mit einer Kollegin aus Israel, mit der er gemeinsam durchs herbstliche Deutschland reiste: "Wir fahren über die Autobahn in Richtung Frankfurt, um Kunst auf dem Flughafen auszuladen. Wir kommen auf eine Autobahn, auf die von allen Seiten unter heftigem Wind Blätter heruntersegeln. Die Kollegin war vollkommen enthusiasmiert und sagte: Das habe ich noch nie gesehen; bei mir gibt's keine Jahreszeiten."