Klischees laut Lehrplan? Der Islam in Schulbüchern
Deutschland ist ein Einwanderungsland. In den Klassenzimmern ist das schon lange zu sehen, in vielen Schulbüchern jedoch wird die gesellschaftliche Vielfalt nur unzureichend abgebildet. Auch wenn es um das Thema Islam geht, fehlt in den Unterrichtsmaterialien oft noch der differenzierte Blick.
Von Silvia Horsch
Jedes Jahr frage ich meine Studierenden im ersten Semester, was sie in der Schule über den Islam gelernt haben. In den meisten Fällen reduziert sich der Stoff auf eine Geschichte der Konfrontation: die Kreuzzüge, manchmal die Türkenkriege und - das gab es zu meiner eigenen Schulzeit noch nicht - die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus.
Problematische Darstellung des Islam
In Schulbüchern vermittelt eine Gesellschaft ihr eigenes Selbstbild und ihre grundlegenden Werte an die junge Generation. Die Darstellung des Islam und muslimischer Gesellschaften als “das Andere“ war von Beginn an ein wichtiges Mittel zur europäischen Selbstbestätigung. Eine solche Gegenüberstellung ist aber nicht nur historisch falsch, wie etwa das Beispiel Andalusien zeigt. Sie ist auch hochproblematisch. Muslimische Kinder lernen auf diese Weise, dass sie nicht wirklich dazu gehören, nichtmuslimische Kinder lernen so nicht, Fremdbilder kritisch zu hinterfragen.
Es geht nicht darum, schwierige Themen wie den islamistischen Terrorismus auszusparen. Vielmehr gilt es, Schülern und Schülerinnen die Fähigkeit zur Differenzierung zu vermitteln. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wird der Islam in Schulbüchern oft in problematischer Weise mit Gewalt und Terror verknüpft, etwa wenn innerhalb weniger Buchseiten auf Fotos der Moschee von Mekka Aufnahmen von den Anschlägen in New York folgen. Terrorismus darf aber nicht eine Unterkategorie zum Thema "Islam" sein. Stattdessen müssen unter der Kategorie "Terrorismus" verschiedene Formen des Terrors behandelt werden. Nur so kann deutlich werden, dass der IS und Boko Haram in gleicher Weise eine Pervertierung des Islam sind, wie der Ku-Klux-Klan und die Lord’s Resistance Army eine Pervertierung des Christentums.
Islamische Vielfalt zeigen
In Schulen, in denen islamischer Religionsunterricht angeboten wird, erleben muslimische Kinder, dass ihre Religion ganz selbstverständlich zum Schulalltag dazugehört. Schon dadurch kann der islamische Religionsunterricht dazu beitragen, das Bild des Islam als das "Andere" aufzulösen und stattdessen unaufgeregt über den Islam und Muslime in Deutschland zu sprechen. Auch in diesem Unterricht müssen Lehrwerke eingesetzt werden, die keine trennenden Sichtweisen herstellen, sondern den Islam in seiner Vielfalt zeigen und Identifikationsangebote für Mädchen und Jungen machen. Deutschlands Muslime sollten darin so divers erscheinen, wie sie sind und nicht, wie es manchmal der Fall ist, auf eine bestimmte Herkunft festgelegt werden.
Zusammenarbeit statt Konfrontation
Gute Schulbücher sind jedoch nicht alles: Einige meiner Studierenden berichten auch von engagierten Lehrerinnen und Lehrern, die die vielfältige Zusammensetzung ihrer Klassen im Unterricht berücksichtigen. Zum Beispiel, indem sie im Mathematikunterricht erwähnen, dass der Begriff Algorithmus auf den persisch-arabischen Mathematiker al-Khawarizmī zurückgeht. So zeigen sie ganz nebenbei, dass Wissenschaft und Zivilisation eine gemeinsame Leistung verschiedener Kulturen sind. Und: Sie setzen an die Stelle der Konfrontation die Zusammenarbeit.