Die Aussenfassade des Berlinale Palastes. © Screenshot

Sparkurs bei der Berlinale - Geldmangel ist das kleinere Problem

Stand: 27.02.2023 15:00 Uhr

Die Berlinale hat künftig weniger Fördermittel zur Verfügung und wird im Programm sparen. Den Status des Festivals bedroht aber viel mehr die Art, wie es geführt wird. Eine Einschätzung von Bettina Peulecke.

von Bettina Peulecke

In den vergangenen beiden Jahren erhielt die Berlinale zusätzlich zur öffentlichen Unterstützung von 10,7 Millionen Euro eine weitere Förderung durch die Beauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Diese fällt ab dem kommenden Jahr weg. "Wir müssen vor diesem Hintergrund strukturelle Veränderungen einleiten, um budgetär auch künftig eine stabile Grundlage für die Organisation und Durchführung der Berlinale zu schaffen", heißt es von Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und Leiter Carlo Chatrian. "Damit verbunden ist die Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren."

Anzahl der Filme wird um ein Drittel reduziert

Die Berlinale Geschäftsführerin Mariëtte Rissenbeek © Ali Ghantschie /Berlinale 2021 Foto: Ali Ghantschie /Berlinale 2021
Geschäftsführerin Mariëtte Rissenbeek verlässt die Berlinale im kommenden Jahr. Die Filmfestspiele 2024 wird sie allerdings noch vorbereiten und umsetzen.

Aus der Not wird nun eine Tugend gemacht. Kleiner, aber auch feiner soll es werden. Die Gesamtzahl der Filme wird um fast ein Drittel reduziert. Bei der 74. Ausgabe im Februar 2024 sollen nur noch etwa 200 Produktionen gezeigt werden, in diesem Jahr waren es noch 287.

Zwei Sektionen werden wegfallen: Die "Perspektive Deutsches Kino" mit deutschen Nachwuchsfilmen, die künftig in den bestehenden Sektionen gezeigt werden, und die "Berlinale Series" mit Serienproduktionen. Stattdessen werde das Publikum 2024 ausgewählte serielle Formate als Teil der Berlinale Special Gala zu sehen bekommen. "Damit sollen bestenfalls außergewöhnliche Serien noch stärker ins Rampenlicht gerückt werden." Die Auswahl werde von Carlo Chatrian, mit Unterstützung seines Auswahlgremiums verantwortet.

Weniger Programm, weniger Ticketverkäufe

Schlange am Berlinale-Ticket-Schalter. © dpa / Berlinale Press Foto: dpa
Der Berlinale-Ticket-Schalter: Mit weniger Filmen, werden wohl auch weniger Tickets verkauft.

Die Finanzierung der Berlinale steht aber nicht allein auf staatlichen Füßen. Der Bund ist mit etwa einem Drittel dabei, dazu kommen Sponsoren und die Einnahmen durch den Ticketverkauf, der in diesem Jahr fast so hoch war wie 2020. Wenn nun also weniger Filme im Angebot sind, werden also wahrscheinlich auch weniger Tickets verkauft. Es sei denn man erweitert die Vorführungskapazitäten, was bei einer sich ebenfalls verringernden Anzahl von Spielstätten sicherlich eine weitere Herausforderung ist.

Verkleinerung als Chance

Schon in diesem Jahr machte sich diesbezüglich eine gewisse Zerfaserung des Festivals bemerkbar. Rein logistisch war der Besuch von zwei kurz hintereinander laufenden Filmen in räumlich weit auseinander liegenden Kinos schlicht nicht möglich. Die notwendige Verkleinerung bietet auch die Chance auf eine größere Überschaubarkeit des Festivals und eine Profilschärfung der unterschiedlichen Reihen.

Und wer weiß, vielleicht goutiert das Publikum diese "geschmacksintensivere Variante" ja sogar. Weniger kann ja manchmal auch mehr sein. Verliert die Berlinale also an Bedeutung oder Ansehen? Wohl kaum, denn die Masse an Filmen stand schon länger nicht unbedingt direkt im Zusammenhang mit der Klasse mancher Kuratierung.

Die Berlinale ist nicht mehr so sexy

Mit mehr Geld allein wäre ein qualitatives, inhaltliches Problem (zum Beispiel im Wettbewerb, der aber ohnehin nur einem ausgewählten Fachpublikum zugänglich ist) auch nicht zu beheben. In der Validierung der Festivalgeschichte hatten Preise früher natürlich eine ganz andere Relevanz, Film an sich einen anderen Stellenwert. Aber Hand aufs Goldene Bärenherz: An welchen Berlinale Preisträgerfilm der letzten drei Jahre erinnern Sie sich? Wenn nicht bildlich, dann wenigstens namentlich?

Und nur mal so am Rande: Die Berlinale wird in Zukunft nicht nur ärmer, sie ist auch schon länger weniger sexy: Internationale FilmFESTspiele sollten eben auch immer den Film feiern. Corona mag zwar daran seinen Anteil haben, aber irgendwie hat die Berlinale in den letzten Jahren sicher nicht die cineastisch kompetente, aber ihre Begeisterungs-Seele eingebüßt.

Ein enthusiastischer Dauergast des Festivals, ist die großartige, vielseitige und Berlin- versierte Tilda Swinton. Die Schauspielerin war sogar mal Jurypräsidentin, hat allein zweimal in Dokumentationen die Berliner Mauergrenze per Fahrrad erkundet – einmal vor und einmal nach dem Mauerfall. Warum fragt eigentlich keiner Tilda Swinton, ob sie vielleicht etwas Verve in die Chose bringen möchte?

Weitere Informationen
US-Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Steven Spielberg hält seinen Goldenen Ehren-Bären fürs Lebenswerk in den Händen und küsst ihn © Jens Kalaene/dpa +++ dpa-Bildfunk ++ Foto: Jens Kalaene
4 Min

Steven Spielberg und der Goldene Ehrenbär für sein Lebenswerk

Der 76-jährige Hollywood-Regisseur hob den Einfluss des deutschen Films auf sein Werk hervor und versprach, noch lange weiterzuarbeiten. 4 Min

Das Team von "Tàr" auf dem roten Teppich zur Deutschlandpremiere der Berlinale ©  Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Fabian Sommer
5 Min

Berlinale-Bilanz 2023: Das Publikum ist zurück

Insgesamt wurden 300 Filme beim Festival gezeigt, 19 davon im Wettbewerb. Das Publikum ist zurück: 267.000 verkaufte Tickets vermeldet das Fest bis Freitag. 5 Min

Hildur Guðnadóttir auf dem roten Teppich bei der Deutschlandpremiere von "Tár" im Rahmen der 73. Berlinale im Berlinale Palast in Berlin © picture alliance / Eventpress | Eventpress Golejewski

"Tár"-Komponistin Gudnadóttir über ihre dunkle Seite in ihrer Musik

Zwei Dramen hoffen auf Oscars, für die sie Filmmusik komponiert hat. Ein Gespräch über Dirigentinnen, Komponistinnen, dunkle Töne und Island. mehr

Ein Mann mit Brille hält einen Goldenen Bären in den Händen © picture alliance/dpa | Jens Kalaene Foto: Jens Kalaene

Steven Spielberg: Der Kinovisionär und Erfinder des Blockbusters

Der 76-jährige Schöpfer von "E.T." und "Indiana Jones" hat im Februar den Goldenen Ehrenbären der Berlinale für sein Lebenswerk erhalten. mehr

Leonard Scheicher in "Der vermessene Mensch" © Studiocanal
4 Min

Lars Kraumes "Der vermessene Mensch" über Kolonialverbrechen

Auf der Berlinale läuft der Film mit Leonard Scheicher. Er handelt von den deutschen Kolonialverbrechen zur Jahrhundertwende. 4 Min

Die spanische Regisseurin Carla Simón bei einer Filmgala in Madrid im Dezember 2022 © picture alliance / NurPhoto | Carlos Dafonte Foto: Carlos Dafonte/NurPhoto

Berlinale-Siegerin Carla Simón über ihren liebsten Coming-of-Age-Film

Die Vorjahressiegerin ("Alcarràs") urteilt nun mit in der Wettbewerbsjury der aktuellen Berlinale und stellt in der Retrospektive einen Lieblingsfilm vor. mehr

Ronald Zehrfeld, Regisseurin Margarethe von Trotta und Vicky Krieps bei der Weltpremiere von "Ingeborg Bachmann" © Jens Kalaene/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Jens Kalaene

Starke Frauen und gescheiterte Lieben: Deutsche Filme bei der Berlinale

Die ersten beiden deutschen Filme sind ins Rennen um den Goldenen Bären gegangen. Wie schlagen sie sich? mehr

Regisseurin Sonja Heiss mit Produzenten und Darstellern von "Wann wird es wieder mal so, wie es nie war" auf dem Berlinale-Empfang der Filmförderung Moin aus Hamburg © Moin Filmförderung / Jasper Ehrich Foto: Jasper Ehrich

Berlinale 2023: Die norddeutschen Filme beim Festival

Bei der Berlinale laufen norddeutsche Produktionen wie "Das Lehrerzimmer" und "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war." mehr

Regisseurin Sonja Heiss auf dem Berlinale Empfang der Filmförderung Moin © NDR Foto: Patricia Batlle

Hamburg bei der Berlinale mit Sonja Heiss, Fatih Akin und Bjarne Mädel

Beim Hamburger Berlinale-Empfang der Moin-Filmförderung waren Filmschaffende wie Charly Hübner, Sonja Heiss, Fatih Akin, Emilio Sakraya und Bjarne Mädel dabei. Bildergalerie

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 11.07.2023 | 14:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Filmfestival

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Sänger Maxim von der Band The Prodigy während eines Auftritts in Kopenhagen 2023. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender 2025 dabei

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für kommendes Jahr angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?