Sparkurs bei der Berlinale - Geldmangel ist das kleinere Problem
Die Berlinale hat künftig weniger Fördermittel zur Verfügung und wird im Programm sparen. Den Status des Festivals bedroht aber viel mehr die Art, wie es geführt wird. Eine Einschätzung von Bettina Peulecke.
In den vergangenen beiden Jahren erhielt die Berlinale zusätzlich zur öffentlichen Unterstützung von 10,7 Millionen Euro eine weitere Förderung durch die Beauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Diese fällt ab dem kommenden Jahr weg. "Wir müssen vor diesem Hintergrund strukturelle Veränderungen einleiten, um budgetär auch künftig eine stabile Grundlage für die Organisation und Durchführung der Berlinale zu schaffen", heißt es von Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und Leiter Carlo Chatrian. "Damit verbunden ist die Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren."
Anzahl der Filme wird um ein Drittel reduziert
Aus der Not wird nun eine Tugend gemacht. Kleiner, aber auch feiner soll es werden. Die Gesamtzahl der Filme wird um fast ein Drittel reduziert. Bei der 74. Ausgabe im Februar 2024 sollen nur noch etwa 200 Produktionen gezeigt werden, in diesem Jahr waren es noch 287.
Zwei Sektionen werden wegfallen: Die "Perspektive Deutsches Kino" mit deutschen Nachwuchsfilmen, die künftig in den bestehenden Sektionen gezeigt werden, und die "Berlinale Series" mit Serienproduktionen. Stattdessen werde das Publikum 2024 ausgewählte serielle Formate als Teil der Berlinale Special Gala zu sehen bekommen. "Damit sollen bestenfalls außergewöhnliche Serien noch stärker ins Rampenlicht gerückt werden." Die Auswahl werde von Carlo Chatrian, mit Unterstützung seines Auswahlgremiums verantwortet.
Weniger Programm, weniger Ticketverkäufe
Die Finanzierung der Berlinale steht aber nicht allein auf staatlichen Füßen. Der Bund ist mit etwa einem Drittel dabei, dazu kommen Sponsoren und die Einnahmen durch den Ticketverkauf, der in diesem Jahr fast so hoch war wie 2020. Wenn nun also weniger Filme im Angebot sind, werden also wahrscheinlich auch weniger Tickets verkauft. Es sei denn man erweitert die Vorführungskapazitäten, was bei einer sich ebenfalls verringernden Anzahl von Spielstätten sicherlich eine weitere Herausforderung ist.
Verkleinerung als Chance
Schon in diesem Jahr machte sich diesbezüglich eine gewisse Zerfaserung des Festivals bemerkbar. Rein logistisch war der Besuch von zwei kurz hintereinander laufenden Filmen in räumlich weit auseinander liegenden Kinos schlicht nicht möglich. Die notwendige Verkleinerung bietet auch die Chance auf eine größere Überschaubarkeit des Festivals und eine Profilschärfung der unterschiedlichen Reihen.
Und wer weiß, vielleicht goutiert das Publikum diese "geschmacksintensivere Variante" ja sogar. Weniger kann ja manchmal auch mehr sein. Verliert die Berlinale also an Bedeutung oder Ansehen? Wohl kaum, denn die Masse an Filmen stand schon länger nicht unbedingt direkt im Zusammenhang mit der Klasse mancher Kuratierung.
Die Berlinale ist nicht mehr so sexy
Mit mehr Geld allein wäre ein qualitatives, inhaltliches Problem (zum Beispiel im Wettbewerb, der aber ohnehin nur einem ausgewählten Fachpublikum zugänglich ist) auch nicht zu beheben. In der Validierung der Festivalgeschichte hatten Preise früher natürlich eine ganz andere Relevanz, Film an sich einen anderen Stellenwert. Aber Hand aufs Goldene Bärenherz: An welchen Berlinale Preisträgerfilm der letzten drei Jahre erinnern Sie sich? Wenn nicht bildlich, dann wenigstens namentlich?
Und nur mal so am Rande: Die Berlinale wird in Zukunft nicht nur ärmer, sie ist auch schon länger weniger sexy: Internationale FilmFESTspiele sollten eben auch immer den Film feiern. Corona mag zwar daran seinen Anteil haben, aber irgendwie hat die Berlinale in den letzten Jahren sicher nicht die cineastisch kompetente, aber ihre Begeisterungs-Seele eingebüßt.
Ein enthusiastischer Dauergast des Festivals, ist die großartige, vielseitige und Berlin- versierte Tilda Swinton. Die Schauspielerin war sogar mal Jurypräsidentin, hat allein zweimal in Dokumentationen die Berliner Mauergrenze per Fahrrad erkundet – einmal vor und einmal nach dem Mauerfall. Warum fragt eigentlich keiner Tilda Swinton, ob sie vielleicht etwas Verve in die Chose bringen möchte?