Seit 110 Jahren: Das älteste Kino in SH steht in Rendsburg
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gingen in Rendsburg die Elektra-Lichtspiele in Betrieb. Heute heißt das Haus schlicht Kinocenter, zeigt aktuelle Blockbuster - und verzaubert doch mit nostalgischem Charme. Ein Ortsbesuch, natürlich mit Popcorn und "Furiosa".
Noch ist es recht still im Foyer des Kinocenters in Rendsburg. Ist es die Ruhe vor dem Sturm? Vielleicht! Immerhin beginnt gleich die Preview zum Blockbuster "Furiosa". Dass der in einer Stadt mit überdurchschnittlich vielen Kinobesuchern ankommt, ist sehr wahrscheinlich. Am Tresen lässt Charline Rückert die Popcorn-Maschine heiß laufen. Der wegen der Kontrolle durch den Verleih nur noch digitale Kartenverkauf steht auch. Es kann losgehen, sagt sie.
"Auf jeden Fall ist die Atmosphäre hier anders", findet Rückert. Ansonsten: "Hier laufen eher Filme für Jugendliche, also meine Generation. Aber ich finde es krass, dass das Kino schon 110 Jahre alt wird. Ich komm' halt nicht von hier."
Original-Sitzmöbel: So kam man sich vor 100 Jahren nah
Auch nicht von hier, sondern aus Dithmarschen stammt Nicole Claussen. Sie führt das Kinocenter seit vielen Jahren. Mit ihr geht's durchs historische Gebäude. "Hier haben wir noch drei Stühle von 1914, fünf davon stehen auch vor dem Mädchenklo", erzählt sie auf der Tour. "Die sind noch original bezogen - Sie dürfen sich gerne mal hinsetzen!" Die Stühle fühlen sich ein bisschen hart an. "Aber so hat man früher im Kino gesessen", versichert Claussen. Aber auch so eng nebeneinander? "Naja, früher konnte man sich im Kino, wenn man verliebt war, auch ein bisschen näherkommen. Das war ja 1914 sonst schwierig."
Vis-à-vis von der Kuschelecke brummt es - hinter der Tür. Egal wie alt oder neu: Noch brauchen Kinos einen Vorführraum. Und in dem redet auch Claussen nicht mehr von Filmrollen - die vom Harry-Potter-Film hätten zum Beispiel 38 Kilo gewogen. Hier geht's nur um Speicherplatz und eine 1a-Internetverbindung. "Die ist absolut wichtig", erklärt die Chefin. "Wir haben in allen Sälen eine 7.1-Tonanlage. Das nächste wäre dann eine Atmos-Anlage. Aber die ist eher den Neubauten vorbehalten, das geht hier nicht. Ansonsten ist alles up to date: 4K, 3D, alles im Haus!"
Super gepflegter Saal, weich-lümmelige Bestuhlung
Die breite Fluchttür von früher ist auch noch da. Weil das Filmmaterial leicht entzündbar war und der Film beim Durchlauf Reibung erzeugte, konnte eine 35-Millimeter-Rolle rasch brennen. Und dann musste auch der Vorführer schnell raus.
Im ersten Stock dann: Der Capitol-Saal. Er ist mit 74 Sesseln der kleinste. Hier gibt es Puschenkino at it’s best: Der Saal ist super gepflegt, mit weich-lümmeliger Bestuhlung in Zweier-, Vierer-, Fünferreihen - man sitzt also gefühlt immer am Gang - und mit Tischchen und Klingel für die Bestellung. Man merkt deutlich: Richtig schön retro, das Ganze!
Kinocenter Rendsburg: Saal-Namen erinnern an historische Kinos
"Hier machen wir auch Lesungen, da steht unser Autoren-Sessel", fährt unser Tourguide fort. "Und kleine Feiern machen wir hier auch." Claussen erzählt dann aus der Kinogeschichte: Angefangen habe hier alles mit einer Elektro-Fachschule. Die sei geschlossen und 1914 zum Kino geworden - typisch für die Zeit damals. "Als es damals losging mit den Lichtspielhäusern, war das ein Trend", so Claussen. "Die Familie Kammin, die schon Kinos in Hamburg betrieben hatte, kam damals nach Rendsburg. Die haben dann erst die Elektra gemacht und dann noch zwei weitere Kinos: einmal die Tonhalle hier um die Ecke und das Capitol im Nachbarort Büdelsdorf."
So also kamen die drei heutigen Säle zu ihren Namen. Und so kommt es jetzt, dass die Preview von "Furiosa" im Elektra anläuft. Der Saal mit seinen 186 Plätzen ist eine Viertelstunde vorher zu gut einem Drittel besetzt. Steffen hat gerade frisches Popcorn getankt - und ist großer Fan des 110 Jahre alten Kinos. "Mittlerweile ist ja alles neu hier", so der Rendsburger. "Ich habe noch erlebt, als die Sitze aus Beton waren - gefühlt! Und es fühlt sich einfach gut an, hier zu sitzen und Kinofilm zu gucken."
Bedienung am Platz in einem Kino mit Seele
Ein weiterer Stammgast im Kino ist Markus Schmook, auch aus Rendsburg. "Mir gefällt einfach das Ambiente, auch weil man immer noch am Platz bedient wird. Dann kenne ich die Chefin - und finde: Bei der Personalauswahl hat sie immer ein gutes Händchen. Das sind alles nette, fröhliche Mitarbeiter. Man sieht von außen, dass es ein historisches Gebäude ist - und spürt auf jeden Fall, dass hier noch Kino mit Seele gemacht wird!"
Derweil läuft die Werbung, während hinter uns, nicht gerade Panik, aber Unruhe aufkommt: Der Online-Code für den neuen Film will erst nicht, dann plötzlich doch. Zurück im Büro sagt Nicole Claussen über die schöne neue Kinowelt: "Das sind dann immer so Momente, wo man denkt: Och nööö, bitte nicht jetzt."