Die Netflix-Serie "Adolescence" hat ganz eindeutig einen Nerv getroffen. Schon in der ersten Woche wurde die Serie allein in Großbritannien mehr als 24 Millionen Mal geschaut und war in mehr als 79 Ländern auf Platz 1 der meist-gestreamten Sendungen.
Selbst im Parlament erzählte der britische Premierminister Keir Starmer, dass er die Show zuhause mit seinen Kindern guckt.
Die Handlung in Adolescence ist zwar fiktiv. Aber sie wurde inspiriert von realen Fällen, erzählt Schauspieler und Producer Stephen Graham: "Ich habe in der Zeitung von einem Fall gelesen, in dem ein Junge ein Mädchen erstochen hatte. Kurz danach habe ich einen Fernsehbetrag gehen – mit einem weiteren Fall – in einem komplett anderen Teil des Landes. Das hat mich sehr getroffen und ich habe mich gefragt: was ist hier los? Warum?"
Warum? Über die Frage diskutiert Großbritannien jetzt. Dabei geht es um toxische Männlichkeit, den Einfluss sozialer Medien auf junge Menschen und die Incel Bewegung. Incel steht für involuntary celibate, und bezieht sich meistens auf Männer, die "unfreiwillig" im Zölibat leben. Was sie verbindet ist der Hass gegen Frauen, die sie dafür verantwortlich machen, dass sie keine sexuellen Beziehungen haben.
Drehbuchautor Jack Thorne ist für die Serie tief in die Recherche eingestiegen und war überrascht, wie leicht es ist, den online verbreiteten Theorien zu verfallen: "Ich habe so viel wie möglich konsumiert, und dabei gemerkt, dass es wirklich etwas Reizvolles hat. Wenn ich als Teenager hören würde, dass sich 80 Prozent der Frauen für 20 Prozent der Männer entscheiden – und ich also die Situation manipulieren muss, um ein gutes Leben führen zu können, um mich attraktiv zu fühlen. Dann hätte mich das überzeugt."
Es ist schwierig zu ermitteln, wie viele Jungen in Großbritannien der Bewegung angehören. Klar ist aber, dass die Sprache, die sie benutzen und die Weltanschauung in sozialen Medien weit verbreitet werden. Und, dass besonders männliche Teenager für diese Art von Botschaften anfällig sind.
Laut einer Studie vom King’s College glaubt jeder vierte Mann zwischen 16 und 29 Jahren, dass es schwieriger ist, ein Mann zu sein als eine Frau. Eine steigende Zahl sagt, dass der Kampf für Gleichberechtigung für Frauen zu weit gegangen sei und nun Männer diskriminiert würden.
Drehbuchautor Jack Thorne fordert deswegen ein Social-Media Verbot für Teenager – so wie es die Australische Regierung plant: "Die Regierung muss den 13-, 14- oder 16-Jährigen vor diesen Inhalten schützen. Dann sehen wir, was das in unserer Gesellschaft verändert", so Thorne.
Ein Handyverbot per Gesetz schließt die Regierung im Moment allerdings aus. Für Schulen gibt es bereits die Richtlinie, dass Smartphones während des gesamten Schultags verboten werden sollen. Wie genau das umgesetzt werden soll und ob es funktioniert ist aber unklar. Immerhin hat die britische Bildungsministerin nun eine Prüfung dieser Regelung angeordnet.
Adolescence hat eine Diskussion angeschoben, die weit über das Incel-Problem hinausgeht. In Fernsehprogrammen, Podcasts und am Arbeitsplatz wird im Moment über das Aufziehen von Jungs, über Vorbilder und die Rolle von Vätern diskutiert.
Nick Hillman, Bildungsforscher am Higher Education Policy Institute fordert sogar einen “Minister für Männer und Jungen“ in der Regierung. Gerade in der Schule müsse mehr für Jungen getan werden muss.