Szene aus dem Film "Gloria!" © Neue Visionen

Margherita Vicario über ihren musikalischen Debütfilm "Gloria!"

Stand: 30.08.2024 17:23 Uhr

Lange hat Margherita Vicario davon geträumt, ihre Leidenschaften Musik und Film zu verbinden. Nun legt die römische Musikerin und Schauspielerin mit "Gloria!" ihr Regiedebüt vor - und hat die moderne Musik für den Historienfilm komponiert, der im Kino läuft startet. Ein Gespräch.

Die 36-jährige Vicario begann als Schauspielerin, hat in Woody Allens Italien-Ausflug "To Rome with Love" mitgespielt und auch in der Serie "Borgia". Vor gut zehn Jahren kam die Musik dazu, seitdem ist sie in Italien auch eine bekannte Pop-Sängerin und Songwriterin.

Szene aus dem Film "Gloria!" © Neue Visionen
AUDIO: Historienfilm "Gloria!" über unbekannte Musikerinnen aus Venedig (5 Min)
Eine junge Frau mit dunklen langen Haaren steht mit rotem Tuch vor einer bunten Wand - Margherita Vicario (Musikerin und Regisseurin) © Aurore Marechal/ABACAPRESS.COM Foto: Aurore Marechal
Seit 2024 muss Margherita Vicario zwei Karrieren unter einen Hut kriegen: Die als Musikerin (auch auf Tournee) und als Kinoregisseurin.

Nun gibt es für sie noch eine weitere Berufsbezeichnung: Kinoregisseurin und Soundtrack-Komponistin. Den Soundtrack hat die 36-Jährige gleich mitkomponiert - und klassische Musik aus dem Venedig des späten 18. Jahrhunderts mit moderner verbunden. In "Gloria!" geht es um Bildungseinrichtungen in der Nähe Venedigs, in denen verwaiste Mädchen eine musikalische Ausbildung erhalten haben und zu Chormädchen und Musikerinnen wurden, um in Gottesdiensten eingesetzt zu werden.

Wie sind Sie auf das Thema der sogenannten katholischen "Ospedali" gekommen, wo Waisenmädchen in Venedig zu Musikerinnen ausgebildet wurden?

Margherita Vicario: Ich habe im Internet gesurft, und bin fast verzweifelt: Warum kann ich keine einzige Komponistin in der Geschichte nennen? Wie kann es sein, dass ich Dutzende geniale Komponisten kenne, aber keine Frauen? Frauen hatten doch auch immer Fantasie, Kreativität!

So habe ich meine Recherche ab dem 16. Jahrhundert begonnen, ab der Zeit des ersten Madrigals. Ich fand, dass es in der Welt der klassischen Musik im 18. Jahrhundert viel zu entdecken gab. In Venedig lebten im 18. Jahrhundert in den Klosterschulen um die 800, vielleicht 1.000 Waisenkinder. Ein Zehntel dieser Waisenkinder wurde in der klassischen Musik ausgebildet, das waren also fabelhafte Musikerinnen. Ich dachte: 'Das ist ja ein perfektes Setting für eine Geschichte!'. Ich habe also meine Fantasie mit diesem historischen Setting vermischt und mir gedacht: 'Die Musikerinnen kennt heute niemand mehr.' Also kann ich eine fiktive Figur erfinden und diese kann die Musik spielen, die mir passt und ich konnte ihr meine Kreativität verleihen.

Jean-Jacques Rousseau hat in seinen Reiseerinnerungen vollkommen beeindruckt von diesen Musikerinnen und Komponistinnen berichtet. Auch Antonio Vivaldi hat dort einige Zeit in einem der vier "Ospedali" als Priester gearbeitet!

Vicario: Ja, Vivaldi war dort Priester. Aber nur, weil er das Gehalt eines Priesters schätzte. Er schätzte dieses große Frauenorchester. Ich habe viel über Vivaldi recherchiert, das war die Glanzzeit dieser Institution. Aber mein Film spielt 60, 70 Jahre nach seiner Zeit dort. Also unmittelbar vor der Zeit, bevor Napoleon diese Institutionen geschlossen hat.

Was hat Napoleon daraus gemacht?

Vicario: Er hat die meisten religiösen Gebäude später in Militärkrankenhäuser umgewandelt. Oder in zivile Krankenhäuser.

Wie hat die Instrumentierung der damaligen Zeit den Soundtrack für diesen Film beeinflusst?

Vicario: Natürlich habe ich versucht, soviel wie möglich vom originalen Sound zu bewahren. Im Film spielt zum Beispiel ein Barockorchester. Ich habe versucht, für diese Instrumente zu komponieren. Ich habe Rhythmus- und modernere Instrumente hinzugefügt.

Protagonist dieses Films ist - neben den fünf Musikerinnen - aber das Pianoforte. Es zeigte damals den Fortschritt der Technologie. Man spielt es heute auf dieselbe Art wie damals. Ich habe also einer Hauptdarstellerin, der einzigen Nicht-Musikerin der Gruppe, die sich, wie ich auch, das Klavierspielen selbst beigebracht hat, meine Musik gegeben. Das ist die Idee am Film, dass es moderne Musik im historischen Film gibt.

Sie haben selbst in Filmproduktionen mitgespielt, etwa beim Film "To Rome with Love" von Woody Allen, haben mit ESC-Teilnehmer und Musiker Raphael Gualazzi und Sängerin Elodie musiziert und sind nun erstmals ins Regiefach gewechselt. Warum?

Vicario: Ich habe immer beides machen wollen, musizieren und schauspielern, weil ich seit meiner Kindheit immer Musik und Kino kombinieren wollte. Ich bin ein großer Fan des Musicals. Ich wollte hier aber kein Musical inszenieren und auch nicht nach den starren Regeln eines Musicals komponieren. "Gloria!" ist die Verwirklichung meines Traums.

Sie waren im Februar sogar bei der Berlinale im Wettbewerb eingeladen. Wie ist es Ihnen seit Februar mit "Gloria!" ergangen?

Vicario: Der Film wird in 24 Ländern gezeigt. Ich kann nicht überall die Premieren begleiten, aber ich habe seit der Berlinale nicht aufgehört, den zu zeigen. Außerdem spiele ich weiter meine Konzerte in Italien. Ich werde auch Teile der Filmmusik in meinen Konzerten spielen, was mir viel Spaß macht. So verbinde ich meine zwei Leidenschaften.

Das Gespräch führte Patricia Batlle.

Weitere Informationen
Szene aus dem Film "Gloria!" © Neue Visionen

"Gloria!" im Kino: Klassik trifft auf modernen Feminismus

Es sind vor allem der Sound und die revolutionär-feminine Interpretation der Musikgeschichte aus Venedig, die "Gloria!" zu einem Ereignis werden lassen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 29.08.2024 | 07:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Mehrere Weihnachts-Wunschzettel liegen auf einem Stapel. © Screenshot

Sammlung in Husum: Was alte Wunschzettel erzählen

Die Exponate im Husumer Weihnachtshaus zeigen: Wunschzettel haben sich im Laufe der Zeit drastisch verändert. mehr