Margherita Vicario über ihren musikalischen Debütfilm "Gloria!"
Lange hat Margherita Vicario davon geträumt, ihre Leidenschaften Musik und Film zu verbinden. Nun legt die römische Musikerin und Schauspielerin mit "Gloria!" ihr Regiedebüt vor - und hat die moderne Musik für den Historienfilm komponiert, der im Kino läuft startet. Ein Gespräch.
Die 36-jährige Vicario begann als Schauspielerin, hat in Woody Allens Italien-Ausflug "To Rome with Love" mitgespielt und auch in der Serie "Borgia". Vor gut zehn Jahren kam die Musik dazu, seitdem ist sie in Italien auch eine bekannte Pop-Sängerin und Songwriterin.
Nun gibt es für sie noch eine weitere Berufsbezeichnung: Kinoregisseurin und Soundtrack-Komponistin. Den Soundtrack hat die 36-Jährige gleich mitkomponiert - und klassische Musik aus dem Venedig des späten 18. Jahrhunderts mit moderner verbunden. In "Gloria!" geht es um Bildungseinrichtungen in der Nähe Venedigs, in denen verwaiste Mädchen eine musikalische Ausbildung erhalten haben und zu Chormädchen und Musikerinnen wurden, um in Gottesdiensten eingesetzt zu werden.
Wie sind Sie auf das Thema der sogenannten katholischen "Ospedali" gekommen, wo Waisenmädchen in Venedig zu Musikerinnen ausgebildet wurden?
Margherita Vicario: Ich habe im Internet gesurft, und bin fast verzweifelt: Warum kann ich keine einzige Komponistin in der Geschichte nennen? Wie kann es sein, dass ich Dutzende geniale Komponisten kenne, aber keine Frauen? Frauen hatten doch auch immer Fantasie, Kreativität!
So habe ich meine Recherche ab dem 16. Jahrhundert begonnen, ab der Zeit des ersten Madrigals. Ich fand, dass es in der Welt der klassischen Musik im 18. Jahrhundert viel zu entdecken gab. In Venedig lebten im 18. Jahrhundert in den Klosterschulen um die 800, vielleicht 1.000 Waisenkinder. Ein Zehntel dieser Waisenkinder wurde in der klassischen Musik ausgebildet, das waren also fabelhafte Musikerinnen. Ich dachte: 'Das ist ja ein perfektes Setting für eine Geschichte!'. Ich habe also meine Fantasie mit diesem historischen Setting vermischt und mir gedacht: 'Die Musikerinnen kennt heute niemand mehr.' Also kann ich eine fiktive Figur erfinden und diese kann die Musik spielen, die mir passt und ich konnte ihr meine Kreativität verleihen.
Jean-Jacques Rousseau hat in seinen Reiseerinnerungen vollkommen beeindruckt von diesen Musikerinnen und Komponistinnen berichtet. Auch Antonio Vivaldi hat dort einige Zeit in einem der vier "Ospedali" als Priester gearbeitet!
Vicario: Ja, Vivaldi war dort Priester. Aber nur, weil er das Gehalt eines Priesters schätzte. Er schätzte dieses große Frauenorchester. Ich habe viel über Vivaldi recherchiert, das war die Glanzzeit dieser Institution. Aber mein Film spielt 60, 70 Jahre nach seiner Zeit dort. Also unmittelbar vor der Zeit, bevor Napoleon diese Institutionen geschlossen hat.
Was hat Napoleon daraus gemacht?
Vicario: Er hat die meisten religiösen Gebäude später in Militärkrankenhäuser umgewandelt. Oder in zivile Krankenhäuser.
Wie hat die Instrumentierung der damaligen Zeit den Soundtrack für diesen Film beeinflusst?
Vicario: Natürlich habe ich versucht, soviel wie möglich vom originalen Sound zu bewahren. Im Film spielt zum Beispiel ein Barockorchester. Ich habe versucht, für diese Instrumente zu komponieren. Ich habe Rhythmus- und modernere Instrumente hinzugefügt.
Protagonist dieses Films ist - neben den fünf Musikerinnen - aber das Pianoforte. Es zeigte damals den Fortschritt der Technologie. Man spielt es heute auf dieselbe Art wie damals. Ich habe also einer Hauptdarstellerin, der einzigen Nicht-Musikerin der Gruppe, die sich, wie ich auch, das Klavierspielen selbst beigebracht hat, meine Musik gegeben. Das ist die Idee am Film, dass es moderne Musik im historischen Film gibt.
Sie haben selbst in Filmproduktionen mitgespielt, etwa beim Film "To Rome with Love" von Woody Allen, haben mit ESC-Teilnehmer und Musiker Raphael Gualazzi und Sängerin Elodie musiziert und sind nun erstmals ins Regiefach gewechselt. Warum?
Vicario: Ich habe immer beides machen wollen, musizieren und schauspielern, weil ich seit meiner Kindheit immer Musik und Kino kombinieren wollte. Ich bin ein großer Fan des Musicals. Ich wollte hier aber kein Musical inszenieren und auch nicht nach den starren Regeln eines Musicals komponieren. "Gloria!" ist die Verwirklichung meines Traums.
Sie waren im Februar sogar bei der Berlinale im Wettbewerb eingeladen. Wie ist es Ihnen seit Februar mit "Gloria!" ergangen?
Vicario: Der Film wird in 24 Ländern gezeigt. Ich kann nicht überall die Premieren begleiten, aber ich habe seit der Berlinale nicht aufgehört, den zu zeigen. Außerdem spiele ich weiter meine Konzerte in Italien. Ich werde auch Teile der Filmmusik in meinen Konzerten spielen, was mir viel Spaß macht. So verbinde ich meine zwei Leidenschaften.
Das Gespräch führte Patricia Batlle.