Intensiv, brutal, explizit: Serienkiller-Thriller "Holy Spider"

Stand: 13.01.2023 17:40 Uhr

Der düstere Thriller "Holy Spider" beruht auf dem wahren Fall des sogenannten Spinnenmörders, der Anfang der 2000er-Jahre mehrere Sexarbeiterinnen in der iranischen Stadt Maschhad ermordete.

von Bettina Peulecke

Manchmal überholt die Realität die Kunst. Vor gut vier Monaten ist Jina Mahsa Amini im Iran in Polizeigewahrsam gestorben. Sie war von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen islamische Kleidervorschriften verhaftet worden. Ihr Tod löste eine Protestwelle gegen den repressiven Kurs der Regierung aus. Der Film "Holy Spider" über einen iranischen Serienmörder im Kampf gegen Sittenverfall wurde vor den Ereignissen gedreht, und bekommt nun eine unbeabsichtigte Aktualität.

Brutale Morde im Namen Gottes

"Es heißt, diese Person geht nach einer Art Fatwa vor. Sie glauben, dass wir hinter verschlossenen Türen konspirieren. Ich kann Ihnen nur raten, vorsichtig zu sein. Besonders in der heiligen Stadt Maschhad." Szene aus dem Film

Als die Journalistin Rahimi eine Mordserie aufklären will, erhält sie von einem religiösen Anführer den Rat zur Vorsicht, der durchaus auch als Warnung oder Drohung verstanden werden kann.

Der Spielfilm "Holy Spider" beruht auf dem wahren Fall des sogenannten Spinnenmörders. Anfang der 2000er-Jahre ermordete ein Mann mehrere Sexarbeiterinnen in der iranischen Stadt Maschhad. Er war davon überzeugt, im Namen Gottes zu handeln und seine Mission erfüllen zu müssen.

Sexarbeiterinnen in einem Land, in dem die Sittenpolizei strengstens darauf achtet, dass nicht einmal der Haaransatz unter dem Kopftuch zu sehen ist - das allein ist ungewohnt zu sehen. Und in der Tat achtet das erste Opfer, eine alleinerziehende junge Mutter, penibel auf eben diesen Haaransatz unter ihrem Kopftuch, während sie sich auf ihre nächtliche Arbeit vorbereitet. Ebenso wird die Investigativ-Journalistin Rahimi barsch darauf hingewiesen, als ihr der Mann an der Rezeption ihres Hotels in Maschhad zunächst kein Zimmer vermieten will.

Die iranische Gesellschaft und ihr Frauenbild

"Holy Spider" ist ein düsterer Thriller, genregerecht inszeniert, häufig brutal und explizit. Normalerweise sind Sex und Prostitution Tabu in iranischen Filmen. Dennoch gehören sie zur Realität der iranischen Gesellschaft, sagt der Regisseur Ali Abbasi im Pressebegleitheft zum Film. Und dass er der iranischen Gesellschaft einen Spiegel vorhalten wolle: "Meine Absicht war es nicht, einen Serienmörderfilm zu drehen. Ich wollte vielmehr einen Film über eine Serienmörder-Gesellschaft machen. Es geht um einen in der iranischen Gesellschaft tief verwurzelten Hass auf Frauen, der nicht unbedingt religiös oder politisch motiviert ist, sondern einen kulturellen Ursprung hat."

Es war nicht einfach, ein Ensemble für "Holy Spider" zu finden. Der männliche Hauptdarsteller ging ein Risiko für seine Karriere ein, die weibliche Hauptdarstellerin, Zar Amir Ebrahimi, die die furchtlose Journalistin verkörpert, wurde dafür in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. 2006 hatte sie ihr Land verlassen, nachdem ein Privatvideo in der Öffentlichkeit aufgetaucht war, dass sie beim Sex mit ihrem damaligen Freund zeigte.

"Holy Spider": Politisch hochaktuell

Hier geht es also nicht nur um einen Serienmörder, hier geht es auch um das Frauenbild im Iran, und um die Frage, wie viel Unterstützung ein Mörder in der Gesellschaft bekommen kann, wenn die Menschen, die er getötet hat, für manche offensichtlich nichts anderes verdient haben. Politisch hochaktuell, filmisch ein intensiver, konventionell erzählter und gegen Ende sehr plakativer Spielfilm, abgedreht vor jenen Bildern, die nun häufig in den Nachrichten zu sehen sind.

Holy Spider

Genre:
Thriller | Krimi | Drama
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Dänemark, Deutschland, Schweden, Frankreich
Zusatzinfo:
Mit Sahra Amir Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani u.v.a.
Regie:
Ali Abbasi
Länge:
119 Minuten
FSK:
ab 16 Jahren
Kinostart:
12. Januar 2023

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 11.01.2023 | 06:55 Uhr

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