Faszination Nordisches Kino: "Anspruchsvolle, originelle Geschichten"
Mittwoch war Start für die Nordischen Filmtage Lübeck. Was fasziniert so sehr am Kino, Serien und Nordic Noir aus Skandinavien? Darüber spricht die ARD-Korrespondentin Julia Wäschenbach in Stockholm.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass Filme und Serien aus dem Norden Europas in Deutschland immer sehr erfolgreich sind. Was macht wohl unsere Faszination für den Norden aus?
Julia Wäschenbach: Ein Faktor ist, dass die Filme und Serien immer in wahnsinnig beeindruckender Natur spielen. Das macht sie schon grundsätzlich total stimmungsvoll. Außerdem ist die nordische Kultur eine Kultur, die häufig bewundert wird, die wir uns in Deutschland zum Vorbild nehmen und in die man durch solche Filme und Serien mal reinschnuppern kann.
Aber was ich vor allem entscheidend finde, ist, dass die nordischen Länder lange viel in die Filmproduktion investiert haben. Es gab zum Beispiel in Dänemark lange eine starke Filmförderung, und deshalb haben diese nordischen Produktionen oft eine gute Qualität. Das sind anspruchsvoll gemachte, originelle Geschichten.
Sind diese Filme und Serien auch in Skandinavien so erfolgreich?
Wäschenbach: Ja total, weil es eben oft so qualitativ gute Produkte sind, weil man auch ein bisschen stolz ist auf die Filme aus dem eigenen Land. Man kann sich mit den Themen und den Figuren identifizieren, es hat auch einen Wiedererkennungswert, was die Schauspieler angeht. Und natürlich ist es auch die eigene Sprache, die die Filme attraktiver macht.
Internationale Filme werden hier meist nicht synchronisiert, sondern nur untertitelt - und deswegen finden es die Skandinavier auch mal entspannt, Filme in der eigenen Sprache zu sehen.
Gibt es denn thematische Unterschiede zwischen Filmen und Serien aus dem Norden und aus Mitteleuropa?
Wäschenbach: Natürlich spielt die Kultur oft eine Rolle dabei, wie Geschichten erzählt werden. In den nordischen Produktionen sind oft soziale Themen im Fokus - soziale Gerechtigkeit, der Wohlfahrtsstaat -, weil das im Norden eine lange Tradition hat. Außerdem hat sich mit dem nordischen Thriller, mit Nordic Noir, auch ein sehr spezielles Genre entwickelt.
In Nordeuropa spielt sehr oft die Natur eine große Rolle, die Fjorde, die dunklen Wälder, die Dunkelheit im Winter, das raue Klima - das ist wie gemacht für Krimis, und das ist etwas sehr Nordeuropa-Spezifisches. Auch historische Filme behandeln häufig die eigene Geschichte: Wikinger-Themen sind weit verbreitet, das skandinavische Mittelalter oder der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 zum Beispiel.
Diese düsteren Stoffe, dieses Nordic Noir - ist das inzwischen so etwas wie eine Art Gütesiegel?
Wäschenbach: Das kann man schon sagen. Zumindest hat der Begriff sowohl im Norden als auch international einen hohen Wiedererkennungswert. Wenn man das hört, denkt man nicht einfach nur an diese düsteren Geschichten, sondern man denkt daran, dass es qualitativ gute düstere Geschichten sind, mit komplexen Charakteren, mit anspruchsvollen Themen. Man verlässt sich darauf, dass man gut unterhalten wird.
Viele bekannte Filmemacher - Ingmar Bergman, Lars von Trier, Aki Kaurismäki und andere - stammen aus dem Norden. Wie sieht es denn jetzt mit einer neuen und jüngeren Generation aus?
Wäschenbach: Es gibt schon eine jüngere Generation, die sich da gerade den Weg bahnt. Dazu gehört zum Beispiel Ali Abbasi dazu, ein iranisch-schwedischer Regisseur, dessen Fantasyfilm "Border" zum Beispiel ein schwedischer Oscar-Kandidat war. Und dann gibt es aber auch eine Riege von Regisseuren zwischen 45 und 50, die momentan am aktivsten und erfolgreichsten sind.
Der Däne Thomas Vinterberg zum Beispiel, der den Oscar für den Film "Der Rausch" bekommen hat, der Norweger Joachim Trier oder Ruben Östlund aus Schweden, der zuletzt für den Film "Triangle of Sadness" Oscar-nominiert war. Von denen wird man sicher auch in den kommenden Jahren noch sehr viel hören.
Welche Serien oder Filme werden gerade in Schweden geguckt? Gibt es da irgendetwas, was wir kennen sollten?
Wäschenbach: Da gibt es ganz viele. Zum Beispiel sorgt der Netflix-Film "Eineinhalb Tage" hier gerade für sehr viel Furore. Das ist das Regiedebüt von Fares Fares - den kennen einige vielleicht als Schauspieler aus den Jussi Adler Olsen-Verfilmungen. Das ist ein Geiseldrama, bei dem ein Mann seine Frau als Geisel nimmt, um an seine Tochter heranzukommen.
In Dänemark spricht man gerade über "Bastarden" - das ist der neue Film von Nikolaj Arcel, unter anderem mit Mads Mikkelsen. Dieser Film spielt im 18. Jahrhundert und handelt von einem dänischen Soldaten, der versucht, zu Reichtum und Ehre zu kommen.
In Schweden ist bei vielen jungen Leuten "Young Royals" total beliebt, eine Netflix-Serie, bei der gerade alle auf die dritte Staffel warten. Da geht es um einen schwedischen Prinzen, der auf ein Elite-Internat geschickt wird. Wenn es um Krimis geht, ist zum Beispiel "Snabba Cash" ein Hit, eine schwedische Krimiserie, die in Stockholm spielt und bei der es um das schnelle Geld geht, um den Drogenhandel.
Das Interview führte Julia Westlake.