Wolfgang Kohlhaase ist tot: Mit "offenen Sinnen" gelebt
Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ist tot. Das teilte die Akademie der Künste unter Berufung auf seine Frau, die Tänzerin und Choreografin Emöke Pöstenyi, mit. Am Mittwoch verstarb er in Berlin im Alter von 91 Jahren.
Wolfgang Kohlhaase gehörte zu den bekanntesten Drehbuchautoren der DDR. In seiner langen Karriere habe er nur zwei Themen für sich im Kino gefunden, sagte er einmal im Interview mit NDR 1 Radio MV: "Das eine ist der Alltag - so wie er damals war und wie er heute ist. Das andere war der Hintergrund meiner Kindheit. Das heißt, alle Fragen, die mit dem Krieg zu tun haben." Und so verarbeitete der Autor das Thema Krieg in so überzeugenden Drehbüchern für Filme wie "Der Fall Gleiwitz", "Ich war neunzehn" und "Der Aufenthalt".
Mit Filmen wie "Solo Sunny" und "Berlin - Ecke Schönhauser" wird er in der DDR berühmt. "Wenn man in der DDR aufgewachsen ist, kam man an seinen Filmen nicht vorbei", sagt Regisseur Andreas Dresen im Interview mit NDR Kultur. "Er hat große Meisterwerke geschaffen - unter anderem gemeinsam mit Gerhard Klein und mit Konrad Wolf. Ich weiß noch, wie ich als Schüler 'Solo Sunny' das erste Mal gesehen habe. In einer Welt, in der es um Kollektivierung ging, ringt eine Schlagersängerin darum, als Individuum wahrgenommen zu werden - das hat mich zutiefst beeindruckt." Später arbeitete Dresen selbst mit Kohlhaase zusammen - verfilmte drei seiner Drehbücher. Der Film "Sommer vorm Balkon", an dem die beiden gemeinsam arbeiteten, ist noch bis zum 3. November auf NDR.de und in der ARD Mediathek zu sehen.
Wolfgang Kohlhaase: Mit offenen Sinnen gelebt
Die Romanverfilmung "In Zeiten des abnehmenden Lichts" war 2017 die letzte Arbeit des Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase. Dass es von Wolfgang Kohlhaase fast sieben Jahrzehnte lang wunderbare Drehbücher gibt, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass er die Welt um sich herum immer, wie er es nennt, mit der Liebe zu den kleinen Leuten betrachtet: "Man möchte immer das Lebensgefühl des Kinopublikums treffen. Film ist insgesamt betrachtet Emotion. Die Emotionen verändert sich unmerklich. Vielleicht wird die Welt schneller. Eigentlich ist der Ausgangspunkt von allem, dass man mit offenen Sinnen lebt."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Kohlhaase als "unvergleichlichen Autor", der wie kaum ein anderer eine genauen Blick auf das menschliche Leben gehabt habe. Und Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte, aus seiner Feder stammten die "schönsten und bewegendsten Erzählungen der gesamtdeutschen Filmgeschichte".
Karrierestart mit Kinderfilm "Die Störenfriede"
Bereits während der Schulzeit habe er das Schreiben für sich entdeckt, beschreibt die DEFA-Stiftung seinen Werdegang. Seine Karriere begann schon Anfang der 50er-Jahre, als die DEFA ihren ersten Kinderfilm in Farbe produzierte: "Die Störenfriede". Der Film spielte in Schwerin. "Ich war ein halber Drehbuchautor damals, also ein Co-Autor", erinnerte sich Kohlhaase im NDR Interview. "Und während der Film in Schwerin gedreht wurde, war ich nie dabei."
Goldener Bär 2010 und Lola fürs Lebenswerk
Auf der Berlinale 2010 wurde er mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet. 2011 bekam er von der Deutschen Filmakademie die Lola für sein Lebenswerk und den Verdienstorden des Landes Brandenburg. In den vergangenen Jahrzehnten kam Kohlhaase regelmäßig zum Filmkunstfest nach Schwerin. 2015 erhielt er den Ehrenpreis, den "Goldenen Ochsen".
"Ich stelle mir den Zuschauer wie einen unbekannten Nachbarn vor, den ich - das ist die erste Regel - nicht langweilen will", erzählte Kohlhaase bei der Preisverleihung. "Und falls doch, prüfen wir die Gründe und machen weiter. Ich danke dem Festival in Schwerin für den Preis, der das Verfertigen von Drehbüchern lobt und mich in die gute Gesellschaft der Goldenen Ochsen bringt."