Das Konzert
Montag, 10. Oktober 2022, 20:00 bis
22:00 Uhr
Der britische Tenor Ian Bostridge gilt nicht nur als großer Liedinterpret, er ist auch ein besonders engagierter Programmgestalter. In Hitzacker brachte er die "Kerner-Lieder" aus Robert Schumanns "Liederjahr" 1840 mit Raritäten von Ottorino Respighi und Klassikern der Moderne von Benjamin Britten in Verbindung.
Singen um Leben und Tod
"Ich glaube, man sollte das nicht missverstehen und das Lied für eine Mini-Oper halten. Es ist ganz, ganz anders! Aber es ist eine dramatische Form und für mich weit mehr als nur der gesungene Vortrag eines Gedichts", sagt Ian Bostridge. Und um das noch weiter zu präzisieren: "Du musst es einfach meinen! Es muss für dich um Leben und Tod gehen!"
Ein Weihnachtsgeschenk für die Geliebte
Die Partitur der zwölf Lieder nach Justinus Kerner legte Robert Schumann 1840 seiner frischgebackenen Ehefrau unter den Weihnachtsbaum. Und Clara war zutiefst beeindruckt: "Er fasst die Texte so schön auf, so tief ergreift er sie, wie ich es bei keinem anderen Komponisten kenne, es hat keiner das Gemüt wie er."
Sehnsucht nach einer heilen Welt
Lieder ihres Landsmannes Ottorino Respighi kannte selbst die italienische Pianistin Saskia Giorgini noch nicht. Deshalb habe sie unbedingt mit Ian Bostridge den Zyklus "Deità silvane" aufführen wollen. Die "Waldgeister" - so der deutsche Name - sind in einer nostalgischen Welt der Nymphen und antiken Götter angesiedelt und außerordentlich klangmalerisch umgesetzt, gerade auch im Klavier.
Liebeserklärung von Mann zu Mann
Benjamin Brittens "Michelangelo Sonnets" sind eine unverhohlene Liebeserklärung an seinen Lebensgefährten, den Tenor Peter Pears. "Der Text ist im hochartifiziellen Italienisch der Renaissance verfasst", erklärt Ian Bostridge "und bei der Uraufführung in den 1940ern in der Wigmore Hall hat glücklicherweise niemand mitbekommen, was da eigentlich gesungen wurde. Denn im Grunde traten da der Komponist und sein männlicher Geliebter vor das Publikum und gestanden ihre tiefe, auch körperliche Liebe zueinander. Wenn das jemand verstanden hätte, wäre es wirklich zutiefst schockierend gewesen. Aber die Musik ist SO herrlich und wirklich unvergleichlich!"
Eine Sendung von Christiane Irrgang.