NDR Doku "Abrissparty": Künstlerduo zeigt Wege aus der Wohnkrise
In der neuen NDR Doku "Abrissparty - Radikales Interior Design" gestaltet das Künstlerduo Studio C.A.R.E. mithilfe von "kuratierten Katastrophen" Wohnungen neu. Ein Gespräch.
Was passiert, wenn man für eine Woche ein Künstlerduo in seine Wohnung lässt? Ein radikaler Veränderungsprozess, der alles auf den Kopf stellt! In der Doku "Abrissparty - Radikales Interior Design" - am Mittwoch um 23.30 Uhr im NDR Fernsehen zu sehen oder jetzt schon in der ARD Mediathek - besucht das Künstlerduo Studio C.A.R.E., bestehend aus Christine van Meegen und Sebastian Kubersky, die Wohnung von Paddy Boehme in Sterup in Schleswig-Holstein.
Frau van Meegen, in der Doku attestieren Sie dem Protagonisten Paddy Boehme, er leide unter einer "Wohnkrise". Was ist eine "Wohnkrise"?
Christine van Meegen: Die Wohnkrise beengt Menschen natürlich. Das ist ziemlich schwierig, weil wir uns unsere Räume meistens selber schaffen. Wir füllen sie mit Dingen, von denen wir denken, dass sie uns gefallen und mit denen wir uns identifizieren. Aber nach einer Weile entwickeln wir uns weiter, und dann passt irgendwann alles nicht mehr zusammen. Irgendwann geht es so weit, dass uns die Dinge im Weg stehen, dass sie uns stören, dass sie uns beengen, uns nicht mehr inspirieren und nicht mehr das kreieren, was wir eigentlich für unseren Wohnraum brauchen: nämlich einen Ort des Rückzugs, in dem wir uns wohlfühlen und der uns positiv beeinflusst.
Sie sagen, Krisen können nur durch Katastrophen gelöst werden. Sie nennen das Ganze "kuratierte Katastrophe". Wie gehen Sie vor?
van Meegen: Bei einer kuratierten Katastrophe geht es vor allem darum, diese Wohnkrise radikal aufzubrechen. Was die Wohnkrise auch noch macht, ist, dass sie Menschen lähmt. Es ist dann so ein überwältigendes Gefühl, in der Wohnung zu sein und gar nicht mehr zu wissen, wo man anfängt, dass es am besten funktioniert, das radikal aufzubrechen. Wenn man nur auf einer kleinen Seite anfängt, hat man auf einmal keine Zeit mehr, es gibt noch ganz viel anderes zu tun - und dann hört man nämlich wieder auf. Wenn man aber alles in einem Rutsch anpackt und merkt, dass man eine neue Umgebung hat und dass auf einmal wieder alles möglich ist, dann bringt das ganz viel Energie und Motivation. Nach einer kurzen, schwierigen Phase geht es aber ganz schnell voran, sodass auch die Möglichkeiten wieder gesehen werden und ganz viel Energie freikommt.
Sie waren eine Woche lang bei Paddy Boehme. Sie gehen da wirklich mit einem Vorschlaghammer vor, schmeißen Sachen durch die Gegend, schmeißen Sachen aus dem Fenster. Können Sie ein paar Beispiele nennen, was radikale Veränderungen in diesem Prozess bedeuten?
van Meegen: Die Dinge sind natürlich abgesprochen. Wir würden niemals sagen: So, jetzt verabschiedet euch mal von euren geliebten Gegenständen - wir schmeißen alle aus dem Fenster. Ganz so schlimm ist es nicht. Paddy wusste vorher nicht, dass wir alle Dinge auf einen Totem-Haufen bringen, aber wir haben wohl gesagt: Dinge, die dir wirklich ganz wichtig sind, die auf gar keinen Fall einen Kratzer bekommen sollen, bitte setze sie an die Seite. Aber mit den anderen Gegenständen gehen wir so um, als wären sie Material - und das kann man auch mal aus dem Fenster werfen, wenn es denn gewollt ist. Paddy ist noch radikaler umgegangen als wir: Er hat wirklich Sachen aus seinem Fenster geschmissen. Wir haben sie rausgetragen und in eine Installation verwandelt, weil wir sie nachher weiter benutzen wollten. Wir haben ihn also fast noch mehr inspiriert, radikaler vorzugehen.
Wie finden Sie Leute, die Sie zu sich nach Hause einladen? Dafür braucht es schon Mut, vielleicht sogar auch ein bisschen Humor und auf jeden Fall Offenheit.
van Meegen: Offenheit, Mut und Neugier, was dabei herauskommt. Bis jetzt ging das von selbst, dass Menschen auf uns aufmerksam geworden sind und uns dann gefragt haben.
Und wer bezahlt das Ganze? Zum einen Sie als Künstlerduo und zum anderen auch das Material?
van Meegen: Das muss natürlich abgesprochen werden. Die kuratierte Katastrophe kann sehr unterschiedlich sein: Sie kann sehr klein sein - wir haben es aber auch schon in öffentlichen Räumen gemacht. Da muss man sich einigen. Das ist eine sehr gute und ein bisschen schwierige Frage, weil wir am Anfang nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt, auch für uns. Wir sind auch selbst neugierig auf den Prozess und auf die Ergebnisse. Wir wussten am Anfang noch nicht so genau, was wir letztendlich alles machen werden. Deswegen kann man am Anfang nicht sagen: Angebot X, das kostet jetzt so und so viel. Aber wir müssen eine Art von Rahmen finden, und dann lassen wir uns alle darauf ein.
Das Interview führte Friederike Westerhaus.