Musik wie ein Museumsbesuch: Josefine Göhmann und Mario Häring
Die deutsch-chilenische Sopranistin Josefine Göhmann widmet sich auf ihrem Debütalbum "réBelles!" markanten Frauengestalten, darunter Verführerinnen, Heldinnen und unschuldige Wesen.
Die deutsch-chilenische Künstlerin Josefine Göhmann ist als klassisch ausgebildete Sopranistin in vielen Epochen unterwegs. Für ihr Debütalbum "réBelles! Portraits Lyriques" hat sie sich von musealen Räumen inspirieren lassen und vor allem von der Frage, wie Frauen im 20. Jahrhundert gesehen wurden oder sich selbst sahen. So hat Josefine Göhmann gemeinsam mit dem Pianisten Mario Häring ein Programm erarbeitet, das einem Museumsbesuch ähnelt: Mal taucht darin die Frau als Verführerin auf, mal als Heldin, mal als unschuldiges Wesen. Die passenden Liedvertonungen fand das Duo bei Komponisten wie Arnold Schönberg, Kurt Weill oder Paul Hindemith, aber auch bei Lili Boulanger, Arthur Honegger und Richard Strauss. Herausgekommen ist eine anregende und inspirierende Mischung, die Josefine Göhmann als ein "ästhethisches Angebot zum Diskurs um die Weiblichkeit" sieht. Mit ihrem Duopartner Mario Häring präsentiert sie eine Auswahl dieser lyrischen Frauenporträts.
Wenn Du singst, merkt man, dass Du in diese Frauenfiguren reinsteigst.
Josefine Göhmann: Als ich ein bisschen jünger war, habe ich Liederabende live mit Diana Damrau erlebt. Das hat mich tief beeindruckt, wie sie diese Kunst ad infinitum beherrscht. Sie erschafft von einem zum anderen Lied eine ganze Welt. Ich würde sagen, wir Sänger müssen diese Aufgabe bestmöglich versuchen zu erfüllen, mit all unseren Empfindungen müssen wir dieser Figur dienen, um für diese Geschichte da zu sein.
Das sind zum Teil sehr intensive Lieder, die ihr da ausgewählt habt. Es geht teilweise um wirklich dramatische Gefühlszustände. Wie dicht lässt Du das an Dich ran?
Göhmann: Ich würde sagen, dass das immer unterschiedlich ist. Mal passiert es in einer Probe, mal bei einer Aufführung. Eine Aufführung ist immer sehr interessant, weil ich in dem Moment loslassen muss - gerade wenn ich singe und wenn ich atme. Am besten ist es, wenn die Seele sich ganz hingeben kann. Es ist manchmal erstaunlich, was sich in einem regt und wie man auf einer Art und Weise abgeht. Das finde ich toll und faszinierend! Ich bin sehr dankbar, dass ich so etwas machen darf.
Für Dich, Mario, ist es so, dass das Lied wirklich nur ein ganz kleiner Bestandteil deines beruflichen Lebens als Pianist ist. Du hast das nicht als Hauptschwerpunkt gewählt, sondern Du bist viel als Konzertpianist unterwegs, spielst Kammermusik und unterrichtest auch. Ein wirklich breites und großes Portfolio. Diese Intensität beim Lied, über die wir da sprechen, ist schon was Besonderes. Würdest Du sagen, dass Dich das ähnlich berührt und betrifft, wenn Du beispielsweise ein Klavierkonzert von Beethoven spielst?
Mario Häring: Von der Intensität an sich, kann man das auf jeden Fall vergleichen. Bei einem Lied ist für mich das Besondere, dass das auf so kurzem Raum passiert. Man muss in kürzester Zeit in eine Stimmung oder einen Charakter eintauchen und ihn zum Leben verhelfen und dann sofort wieder switchen. Bei einem Klavierkonzert hat man meistens etwas mehr Zeit, die Emotionen zu entwickeln und sich darin zu suhlen. Und genau das ist der Punkt, der mich bei einem Lied reizt.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.