Sendedatum: 02.10.2011 17:20 Uhr

Reise in 1001 Nacht

von Mischa Kreiskott

Pierre Paolo Pasolini hat oft auf ausgedehnten Reisen nach Laiendarstellern und ausgefallenen Drehorten gesucht. Für seinen Film "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht" ist er Monate lang durch den Orient gereist, hat seine Eindrücke in Bild und Text dokumentiert, die ein Bildband nun vereint. Mischa Kreiskott stellt ihn vor.

Da reist ein linker italienischer Intellektueller durch den vorderen Orient, besucht Eritrea, den Jemen, Äthiopien oder Dubai.

Buchzitat:  "Reisen in der dritten Welt lassen Pasolini aufatmen"

Mal wohnt er in prachtvollen orientalischen Palästen - oft lagert er mit Pilgern auf nackten Felsen.

Buchzitat:  "Denn für ihn ist eine Gegenwart sinnlos, die nicht aus der Vergangenheit kommt"

Ein unsteter Sammler

Er ist unermüdlich, saugt auf was er sieht - sammelt und sucht.

Buchzitat:  "Das Leben ist natürliches und lebendiges Kino. Kein Ding ohne Bedeutung."

Er hat die Augen weit geöffnet, und sieht doch oft nur, wonach er in seinen Träumen strebt.

Buchzitat:  "Alle haben einen schönen dünnen, mageren, leichten, graziösen Körper, wie in schlichte braune Seide gehüllt. Und da ist kein Auge, das nicht in einem wundervollen Licht ohne Tiefe glänzt, in einer Anmut, die rätselhafterweise ohne Rätsel ist."

Erfüllung linker Utopien

Pierre Paolo Pasolini findet im Zauber des Orients die Erfüllung seiner linken Utopien. Sieht Völker, die seinem Ideal vom aufrechten, ehrlichen Menschen gleichen. Unabhängig und frei von Geld, Stand und Macht.

Buchzitat:  "Entweder lächeln sie als erste, oder erwidern sofort glücklich das Lachen des anderen. Sie sind geistvoll und viril. Anmut, und nicht irgendeine dumme Würde haben sie zu verteidigen."

Ein untergehendes Märchenreich sei es, das er da auf Zelluloid und Schreibmaschinenseiten banne. Erschüttert stellt Pasolini fest, wie sich die moderne Welt in Städte und Dörfer frisst. Jegliche Berührung dieser Menschen mit bürgerlichen Lebens- und Produktionsweisen sei tödlich", warnt er.

Wie Schmetterlinge

Pasolini komponiert im Orient seine Version der Geschichten aus Tausend und einer Nacht, den Film "Il fiore delle mille e una notte". Er webt einen Märchenstoff aus Lust, vollkommener Schönheit und Homoerotik. Alle Darsteller sind Laien. Pasolini schart die Körper und Gesichter um sich, sammelt sie wie Schmetterlinge, und entdeckt deprimiert, dass er es ist, der ihr Paradies besudelt.

Buchzitat:  "Die wahre Natur der Eritreer ist, wie sich herausgestellt hat, ganz anders."

Mit besten Absichten verteilt Pasolini Ruhm und Geld - sät damit Neid und Missgunst.

Buchzitat:  "Hinter ihrer Anmut verbirgt sich eine kranke, abnorme Empfindlichkeit. Ihre Treue ist eine diffuse Anhänglichkeit voller Ansprüche."

Betörter Blick auf ein Märchenreich

Berichte, begeisterte und verzweifelte Essays eines rastlos Reisenden, Texte, die verwirren und trunken machen sind zusammengefasst in diesem Band "Reisen in 1001 Nacht" - Gedankenbilder nur dezent verortet, durch Einführungen und Kommentare des Herausgebers Peter Kammerer.

Die Fotografien von Roberto Villa spiegeln Pasolinis betörten Blick auf das zerbrechliche Märchenreich. Sepiaaufnahmen, die einen sanften Schleier legen auf die dunkeläugigen Prinzen und Prinzessinnen, beiläufige Blicke in die Kamera, scheu und stolz zugleich.

Buchzitat:  "Es war Abend, vor den Türen zu den Zimmern der Huren standen Gefäße, aus denen von einer fast orangefarbenen Glut Weihrauchduft aufstieg. Unter allen Huren von Asmara habe ich die süßen, entzückenden Mädchen gesucht, die ihre Reinheit auch dann nicht verlieren, wenn sie zur Frau werden."

Reise in 1001 Nacht

von Pier Paolo Pasolini
Seitenzahl:
143 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Corso, 143 Seiten
Bestellnummer:
978-3862600137
Preis:
24,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 02.10.2011 | 17:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bildbände

NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Reise-in-1001-Nacht,nbpasolinireise101.html
Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur sucht Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Der Franzose Patrick Naudin und der Direktor der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek Robert Zapf bei der Übergabe von persönlichen Gegenständen aus dem Nachlass von Wolfgang Borchert. © NDR Foto: Peter Helling

Zurück in Hamburg: Wolfgang Borcherts Milchzahn und ein Wunschzettel

Die Mutter des Hamburger Autors überließ einst einer Deutschlehrerin in Frankreich ein paar persönliche Gegenstände ihres Sohnes. mehr