"Es werden schöne Tage kommen": Geschmeidige Kurzgeschichten
In den USA wurden die Short Storys von Zach Williams im vergangenen Jahr als das Debüt schlechthin gefeiert. Nun wurden sie von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz ins Deutsche übertragen.
Es wurde dunkler im Raum. Seltsame Trugbilder blühten an den Rändern meines Blickfelds. Leseprobe
Ein Satz aus Zach Williams' Story "Mausefallen", der wie ein Motto über all seinen Geschichten stehen könnte. Fast beiläufig dringt etwas Unerklärliches und Unheimliches in die Szenerien, die er entwirft und die zunächst ganz alltäglich und normal erscheinen. Etwa, wenn ein junger Mann - Jeremy - ein Geschäft aufsucht, um eine humane Mausefalle zu kaufen - also eine, die nicht tötet. Anstatt einfach das Gewünschte zu erhalten, wird er durch dunkle Gänge zu dem eigenwilligen Besitzer des Ladens geführt, der ihn in ein verstörendes Gespräch verwickelt:
"Es ist also", sagte Rugolo, "nicht so einfach mit den Fallen. Man könnte wohl sagen, dass es dabei nicht so sehr um die Fallen selbst geht oder um die Mäuse, sondern um Sie. Darum, was für ein Mensch Sie sind."
Er lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander.
"Also?"
Ich schüttelte den Kopf. "Was?"
"Was für ein Mensch sind Sie, Jeremy?"
"Ich weiß es nicht."
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Zach Williams erzeugt eine brüchige Wirklichkeit
Kurz darauf kippt dieses Bild und Jeremy irrt durch eine sumpfige Landschaft, findet Zuflucht in einer LKW-Raststätte und beschließt - nach einem üppigen Mahl - sein Leben neu zu beginnen. Was eigentlich jeder Wahrscheinlichkeit widerspricht, wirkt in Zach Williams' Stories trotzdem stimmig. Das mag daran liegen, dass er die Realität ohnehin als etwas Brüchiges, eigenartig Verschobenes beschreibt - als ein Gefüge, in dem jederzeit die Bedingungen geändert werden können. Etwa, wenn in "Das Sauerkleehaus" ein Paar mit seinem Kleinkind ein einsam gelegenes Ferienhaus bezieht und sich ganz langsam und nebenbei herausstellt, dass sie in einer Zeitschleife gefangen sind, in der sie selbst zwar altern, nicht aber ihr kleiner Sohn:
Wenn Max ausrutschte und auf die Steine am Fluss oder im Wald fiel, lief sie zu ihm und drehte ihn um, in der Hoffnung, seine Haut verletzt zu finden. Aber das war sie nie. Ihre eigene Haut war inzwischen braun gebrannt und rissig, um die Augen bildeten sich neue Fältchen. Aber Max blieb immer gleich. Er hatte nie das Wort Specht gelernt. Im Notizbuch hatte sie alle Wörter notiert, die er kannte. (…) Bald gab es keine neuen Wörter mehr zum Eintragen. Leseprobe
"Es werden schöne Tage kommen": Erstaunliches Debüt
Wie ein schattiger Grundton zieht sich das Unheimliche durch Zach Williams' Erzählungen - durchaus in dem Sinn wie schon Sigmund Freud dieses Gefühl beschrieben hat, also als Gegensatz zum "Heimlichen" und Vertrauten. In diesen Storys zeigt es sich mitten in der Welt, die wir kennen, und wird als etwas lesbar, das nicht zuletzt aus uns selbst erwächst, als das Unbewusste oder Abgründige, das meist ruhig vor sich hinschlummert. Hier wird es wach, breitet sich aus und verleiht diesen erstaunlichen Geschichten eine beeindruckende Tiefe.
Übersetzt haben diese Texte die preisgekrönte Übersetzerin Bettina Abarbanell und der großartige österreichische Schriftsteller Clemens J. Setz, der erklärtermaßen ein Faible fürs Unheimliche hat. Diese beiden Sprachvirtuosen dürften auch nochmal erheblich dazu beigetragen haben, dass dieses Debüt so präzise wie pointiert wirkt und bei allem Verstörenden doch auch ein geschmeidiges Lesevergnügen bietet.
Es werden schöne Tage kommen
- Seitenzahl:
- 272 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-28461-5
- Preis:
- 24 €