"Der treue Spion": Atmosphärischer Krimi auf zwei Zeitebenen
Uta Seeburg erzählt die Geschichte einer Erfindung mit zerstörerischer Macht. "Der treue Spion" lebt von der farbenprächtigen Atmosphäre und den ungewöhnlichen Protagonisten.
Dass die Schriftstellerin Uta Seeburg promovierte Literaturwissenschaftlerin ist, merkt man ihren eleganten, vielschichtigen Romanen unbedingt an. Besonders ihre Krimireihe um Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski verzaubert durch Seeburgs besondere Sprache. Ihr neuer Roman "Der treue Spion" ist bereits der dritte Band der Reihe. Aber alle Bücher können völlig unabhängig voneinander gelesen werden.
Ein Vermisster, ein Toter und ein verdächtiges Pärchen
1896 wird in München das Deutsche Theater eröffnet und es erscheint die Kunstzeitschrift "Jugend", Namenspatin für den Jugendstil. Außerdem verschwindet der französische Diplomat Henri Fouqué aus dem Luxushotelhotel "Vier Jahreszeiten". Letzteres allerdings nur in der Fantasie von Uta Seeburg. Die setzt Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski, seines Zeichens Spezialist für die noch junge Wissenschaft der Kriminalistik, auf den Vermisstenfall an. Gryszinski und Wachtmeister Eberle arbeiten bei der Spurensuche mit damals neuer Technik:
Eberle suchte unter den verschiedenen Phiolen und Röhrchen dasjenige aus, in dem sich das Rußpulver befand. Außerdem entnahm er dem Koffer einen Pinsel mit besonders weichen Borsten. Stumm begab er sich zur Eingangstür und begann vorsichtig, den mit Messing beschlagenen Bereich um die Türklinke einzustäuben, als würde er eine glatte Damenwange mit schwarzem Puder bedecken. Leseprobe
Fouqué aber bleibt verschwunden. Stattdessen stößt Gryszinski im Hotel auf ein russisches Paar, das behauptet, mit dem Zaren verwandt zu sein und sich äußerst verdächtig benimmt. Bevor sich der Ermittler jedoch den verschwenderischen Baranoffs widmen kann, wird die Leiche des Erfinders Alfons Hummert gefunden. Dieser hatte angeblich eine Technik entwickelt, die es ermöglichen sollte, telegrafische Meldungen zu manipulieren.
Kurz nach dem Fund der Leiche des Erfinders, verschwinden auch die Baranoffs. Die Spur führt nach Paris und Sankt Petersburg. Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski folgt ihr.
Uta Seeburg besticht durch ihre elegante Sprache
Historische Krimis bieten einigen Mehrwert. Als Leserin erfährt man viel über die damalige Lebensart, über Kunst und Musik. Nicht allen Autorinnen und Autoren gelingt das so atmosphärisch wie Uta Seeburg. Ihre Sprache ist ausnehmend elegant, der Plot kunstvoll auf zwei Zeitebenen gebaut. Neben 1896 spielt das Jahr 1916 eine tragende Rolle. Der Erste Weltkrieg wütet, Gryszinskis Sohn Fritz ist als Meldegänger an der Front eingesetzt, als er völlig unvermittelt einen ominösen Auftrag bekommt:
"Sie sollen eine streng vertrauliche Botschaft überbringen, der Inhalt wird Ihnen nicht bekannt sein. Sie werden sich als jemand anderes ausgeben müssen. (...) Sie werden nach Paris gehen, getarnt als französischer Kriegsreporter." Leseprobe
In Paris gerät Fritz an neue Beweise im unaufgeklärten Fall des vor 20 Jahren verschwundenen Diplomaten Fouqué. Und es gibt Indizien, dass die Technik der Nachrichtenmanipulation im Krieg zum Einsatz gekommen ist.
Marcel Proust als Zeitzeuge
"Der treue Spion" lebt von der farbenprächtigen Atmosphäre und den ungewöhnlichen Protagonisten. Und immer wieder tauchen reale Zeitzeugen auf. So trifft Ermittler Gryszinski in Paris auf Marcel Proust:
"Mon Dieu, eine Madeleine!", riss ihn eine Stimme aus seinen Überlegungen. Der junge Literat namens Marcel Proust hatte die Worte ausgerufen. Leseprobe
Wer hier an Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" denken muss, hat wahrscheinlich ein gewisses Faible für große Literatur.
Der treue Spion
- Seitenzahl:
- 400 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Harper Collins
- Bestellnummer:
- 978-3-365-00167-7
- Preis:
- 22 €