"Der Sommer, als wir träumen lernten": Boat-Trip der besonderen Art
Adriana Popescu hat sich mit ihren gefühlvollen, authentischen, oft spannenden Geschichten eine große Fangemeinde erschrieben. Nach dem Auftakt einer Urban-Fantasy-Reihe 2023 hat sie mit "Der Sommer, als wir träumen lernten" einen besonderen Coming-of-Age-Roman verfasst.
Grete, Alex, Jannis und Leo haben so was von keine Lust auf diesen Trip: zwei Wochen paddeln in Schweden. Was eigentlich nach Abenteuer klingt, ist - da sind sich die Vier ausnahmsweise mal einig - eine Strafe. Eine Strafe für Teenager, die immer wieder Probleme machen, sich nicht geschmeidig einfügen, die sogenannte "Systemsprenger" sind. Wie Jannis, der zu unkontrollierter Wut neigt:
"Meine Fingerknöchel sind ganz weiß, weil ich den Träger des Rucksacks so fest umklammert halte, und ich versuche, tief zu atmen, um mich nicht schon wieder aufzuregen, aber ein Blick auf die Uhr lässt meine Sicherung durchbrennen, und ich greife nach dem nächstbesten Gegenstand - eine tragbare Musikbox - und schleudere sie mit voller Wucht von mir." Zitat aus dem Buch
Explosive Mischung im Therapie-Camp
Grete lebt in einer selbstgebauten Welt aus Lügen, Alex verschafft sich Respekt durch Gewalt und Leo ist spielsüchtig und nikotinabhängig. Das ergibt eine explosive Mischung und von Anfang an ist klar, dass in diesem Therapie-Camp niemand die Seele baumeln lassen wird. Für Grete ist die neue Situation so belastend, dass sie gleich am ersten Tag eine Panikattacke erleidet:
"Zu viel, alles zu viel, zu laut, zu eng zu fremd und doch so schrecklich vertraut. Meine Beine geben nach (...) und so kippe ich gegen das Regal und rutsche zu Boden. Ein heftiges Pochen klingt in meinen Ohren, und ich schließe die Augen, hoffe, damit alles ausblenden zu können, aber das Klopfen bleibt." Zitat aus dem Buch
In "Der Sommer, als wir träumen lernten" erzählt Adriana Popescu von jungen Menschen, die sich auf dem Weg ins Erwachsenenleben verlaufen haben, die verletzt wurden, sich verloren fühlen. Und die ganz unverhofft etwas finden. Einander. Aber bis dahin schenken sie sich nichts. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen untereinander und mit den Betreuern. Denn wenn die Vier etwas in ihrem Leben gelernt haben, dann niemandem zu vertrauen und keine Schwäche einzugestehen.
Popescu schreibt authentisch und lebensnah
Die Camp-Betreuer geben unterdessen alles, um die Gruppe zusammen und bei Laune zu halten. Handys sind allerdings verboten:
"Wir haben aber etwas als Ersatz, mit dem ihr euch davon ablenken könnt." Yvonne greift in die Tüte und zieht einen rot-gelben kleinen Karton heraus. "Ta-dah!". Sie strahlt uns so begeistert an, dass ich mir nicht sicher bin, ob wir nicht vielleicht applaudieren sollten." Zitat aus dem Buch
In den Kartons sind Einwegkameras, so etwas haben die Teenager noch nie gesehen. Ob Technik aus dem vergangenen Jahrtausend sie aber wirklich aufheitern kann? Und wie geht es weiter in der Einsamkeit schwedischer Natur, in der die vier so unterschiedlichen Charaktere ungebremst aneinander geraten?
Dass Adriana Popescu authentisch und lebensnah schreiben kann, hat sie mit ihren Vorgängerromanen oft bewiesen. Sie begegnet ihren Protagonisten mit Herz und Verständnis und bagatellisiert ihre Probleme nicht. Kleiner Kritikpunkt dennoch: Manchmal hätte sie es gern sowohl sprachlich als auch erzählerisch noch etwas mehr krachen lassen dürfen. Da scheinen vor allem deutsche Autorinnen und Autoren leider manchmal eine Hemmschwelle zu haben.
Der Sommer, als wir träumen lernten
- Seitenzahl:
- 448 Seiten
- Genre:
- Jugendbuch
- Verlag:
- cbt
- Veröffentlichungsdatum:
- 13. März 2024
- Preis:
- 13,00 €