"Damenopfer": Steffen Kopetzky setzt Larissa Reissner ein Denkmal
Steffen Kopetzky widmet sich in seinem neuem Roman der Journalistin Larissa Reissner, einer vergessenen Figur des russischen Bürgerkriegs. In 23 Episoden schildert er ihr Leben.
In einer Rezension zu einem Buch von Larissa Reissner schrieb Kurt Tucholsky, dass Deutschland sich eine solche Journalistin wie diese russische Publizistin nur wünschen könne. Leo Trotzki nannte sie die "Madonna der Revolution". Boris Pasternaks benannte seine Heldin Lara in seinem Roman "Doktor Schiwago" nach ihr. Knapp 100 Jahre später setzt Steffen Kopetzky dieser beeindruckenden Frau ein großes literarisches Denkmal. Sein Roman lebt von einer Begeisterung für diese historische Figur, die ihn so unglaublich fasziniert. "Sie war das It-Girl" der Petersburger Literatenszene, dann Teil der bolschewistischen Revolution, Revolutionärin im russischen Bürgerkrieg", schildert Kopetzky. "Sie war Kommissarin der Wolgaflottille - als erste Frau überhaupt auf einem Kriegsschiff. Die Matrosen haben gedacht: Jetzt geht das Schiff unter, weil eine Frau dabei war. Aber sie hat eben gezeigt, dass sie mehr Mumm, mehr Tapferkeit hatte als sie alle miteinander."
Larissa Reissner: Emanzipation in Afghanistan
Larissa Reissner hat damals das Nahe und das Ferne erkundet und ist in ihren Recherchen hautnah an das dynamische Spiel der Mächte herangegangen. Sie war, vorerst nur als Ehefrau, mit ihrem Mann in Afghanistan - als Botschafterin der jungen Sowjetunion. "Ihr Mann war aber die ganze Zeit betrunken und sie hat im Grunde die Geschäfte an der Botschaft geschmissen", schildert Kopetzky. "Larissa hat in Afghanistan begriffen, was die Herrschaft der Briten über die Welt eigentlich bedeutete, welche raffinierten Methoden sie entwickelt hatten und wie sich diese Herrschaft aufgebaut hat. Dass man, um der Weltherrschaft des britischen Empire etwas entgegenzusetzen, nicht die Revolution in einem Land benötigt, sondern die Revolution auf dem Planeten."
Viele Bezüg zur Weimarer Republik
Manches in dem Roman ist wie die Rückschau, bei der man an einigen Stellen sagt: Wenn das damals anders entschieden worden wäre ... Niemand weiß natürlich, was dann gekommen wäre, nur dass es anders gewesen wäre. Um ein Haar hätte es in Deutschland in den 20er-Jahren eine kommunistische Revolution gegeben.
Bei seinen Recherchen für den Roman ist für Kopetzky überraschend gewesen, wie die Reichswehr und die Rote Armee zusammengearbeitet haben. "Die deutsche Reichswehr war durch den Versailler Vertrag auf 100.000 Mann beschränkt und sollte eben keine modernen Waffensysteme besitzen. Von Tag 1 ihrer Existenz an hat man natürlich sofort versucht, den Versailler Vertrag zu hintergehen."
"Damenopfer": Auf der Seite der Ausgebeuteten
Der Roman "Damenopfer" ist so kühn wie jene seltene taktische Variante beim Schach. Man braucht Konzentration für die Lektüre, kann aber praktisch jede historische Figur googeln und sich so zusätzlich informieren über die historischen Anspielungen und Bezüge. Es ist ein Buch über die wahren Mächte dieser Erde, verfasst mit dem Herzen auf der Seite der Ausgebeuteten, die schon immer verraten und verkauft wurden. Gespeist wird es - wie bei der Hauptfigur Larissa Reissner - aus einem gigantischen Kraftwerk der Liebe zu den Unterdrückten.
Damenopfer
- Seitenzahl:
- 448 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt Berlin
- Veröffentlichungsdatum:
- 15. August 2023
- Bestellnummer:
- 978-3-7371-0151-6
- Preis:
- 26,00 €