Aleš Štegers "Das Lachen der Götter": Mit Pathos in die Gegenwart
Der slowenische Dichter Aleš Šteger greift in seinem Erzählband "Das Lachen der Götter" in die Schatzkiste der griechischen Mythologie. Was holt er Neues daraus hervor?
Der Bergmann Prometheus, kurz Pro, erhält von der Bergwerksdirektion einen streng vertraulichen Auftrag: Gemeinsam mit zwei unbedarften Praktikanten soll er einen still gelegten Tunnel wieder zugänglich machen. Es gehe um die Suche nach der Wahrheit, sagt man ihm. Der Auftrag ist Pro von Anfang an nicht geheuer, trotzdem gerät er in eine intime Verstrickung mit dem Tunnel und dem Geheimnis, das er verbirgt.
Pro hat gegraben, als ob es um sein Leben ginge. Als ob er von einer Art religiösem Wahn besessen wäre. Religiös, weil er tief in seinem Innern immer deutlicher die Verbindung zwischen sich und dem Tunnel erkannte und somit der Erfolg oder Misserfolg seiner Mission mit seinem Schicksal verbunden war. Leseprobe
Aleš Šteger erzählt aus einer angestaubt-männlichen Perspektive
Oben und Unten, Licht und Dunkelheit, Wahrheit und Vergessen, das sind die hoheitlichen Parameter, zwischen denen Aleš Šteger all seine an mythische Helden angelegten Figuren in den sechs Erzählungen auf Irrfahrt schickt.
Während die Geschichte um Prometheus sich zyklisch in schwindelerregende Tiefe bohrt, immer weiter wird gegraben, immer finsterer steht es um die Wahrheit, sind die anderen Erzählungen hauptsächlich Variationen der immer gleichen Liebesgeschichte: In "Narziss", "Orpheus" und "Medusa" verliebt sich je ein störanfälliger schwacher Mann (mal Museumswächter, mal Schauspieler, mal Pianist) in eine mysteriöse Frau. Aleš Šteger erzählt von fatalem Begehren und Toxizität aus einer angestaubt-männlichen Perspektive. Besonders die Sexszenen sind schwer auszuhalten.
Sie umkreist seine Brust, seinen Bauch, mit den Nippeln ihrer blassen Brüste, küsst seinen Penis. Das ist mein Tier, sagt sie, und lässt sich auf ihm nieder, wild und leidenschaftlich, ihre schlanken Hüften kreisen. Sie stöhnt, kratzt, fordert und gibt. Herrisch verströmt sie ihren süßen Duft, hüllt ihn damit ein wie mit einer zweiten Haut, trauert, liebt, streichelt, weint, spielt, tobt, ist Schöpferin und Zerstörerin, Eis und Feuer zugleich. Leseprobe
Spannendes Problem virtueller Parallelexistenz
Dem mythologischen Arzneikoffer des Erzählens entnimmt Aleš Šteger vor allem Pathos. In "Narziss" versucht er, das Problem der Eitelkeit mit der Instagramkultur neu zu bespielen. Der Schauspieler lebt mehr in seinem Feed als in seinem Körper. Dieses spannende Problem virtueller Parallelexistenz unterwandert der Autor jedoch mit einer dem Inhalt konträr laufenden Sprache.
Er wurde zunehmend auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken aktiv. Selfies, die ihn im Kopfstand, im schottischen Kilt im Hyde Park, als Gondoliere in Venedig oder im Frack und mit Monokel unter dem Eiffelturm zeigen, bescherten ihm eine große Fangemeinde. Leseprobe
Aleš Šteger hat Schreib-Potenzial
Es reicht nicht, Vokabeln rund ums Internet in einen Text einzubauen, um einen alten Stoff an der Gegenwart auszurichten. Dafür braucht es eine innovative Textur im Erzählen selbst. Aleš Štegers Sätzen fehlt es an Spontaneität und Leben. Stattdessen wird ermüdend konventionell runtergeleiert, was womit zusammenhängt. Dabei lädt gerade der Mythos dazu ein, selbstbewusster auf rätselhafte Erscheinungen zu setzen.
Wenn Aleš Šteger die Erzählkonventionen fahren lässt, zeigt sich das Potenzial seines Schreibens. Immer wieder tauchen Tiere in den Erzählungen auf, die die Verschränkung aller Lebewesen und den fließenden Übergang zwischen Diesseits und Jenseits mühelos präsent machen.
Ein paar junge Männer stehen um eine Blutlache herum und sehen zu, wie junge Otter aus dem gebrochenen Schädel kriechen und in den Spalten ihres neuen Zuhauses verschwinden. Leseprobe
Wenige überzeugenden Sätze
Leider gibt es in "Das Lachen der Götter" wenige dieser feinen überzeugenden Sätze. Das mythologische Anliegen scheint den Geschichten zum Verhängnis geworden zu sein. In der Erzählung "Medusa" probt ein Pianist für einen großen Beethoven-Wettbewerb und steht einmal einer Beethoven-Büste gegenüber. Er fragt sich: "Musste Kunst wirklich so tragisch sein?" Die Antwort ist: Ja, aber sie muss schweben!
Das Lachen der Götter
- Seitenzahl:
- 222 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Wallstein Verlag
- Veröffentlichungsdatum:
- 30.08.2023
- Bestellnummer:
- 978-3-8353-5554-5
- Preis:
- 22 Euro €