NDR Buch des Monats Januar: "Endling" von Jasmin Schreiber
"Endling" ist leicht dystopischer Roman, aber vor allem auch eine berührende Familiengeschichte und ein verrückter Roadtrip. Der Roman ist sehr vielschichtig und trotz der schweren Themen überraschend leichtfüßig unterwegs.
Jasmin Schreiber ist Biologin mit Schwerpunkt Zoologie. Sie interessiert sich vor allem für Insekten und forscht an der Uni Hamburg zu Kurzflügelkäfern. Aber die 35-Jährige ist auch Schriftstellerin. 2020 erschien ihr Debütroman "Marianengraben", der es auf die Bestsellerlisten schaffte. Ihr aktueller Roman "Endling" ist unser NDR Buch des Monats.
Jasmin Schreiber schreibt über die Folgen des Klimawandels
Deutschland im Jahr 2041: Das Land ächzt unter den Folgen des Klimawandels. Schmetterlinge, wie das Taubenschwänzchen: plötzlich verschwunden. Das letzte Rotkehlchen: in einem Labor gestorben. Aber das ist noch längst nicht alles.
Der eigentliche Horror war das fast vollständige Absterben der Buchen vor zehn Jahren, eine verheerende Kettenreaktion, die ein Massensterben von Insekten, Pflanzen, Säugetieren und Vögeln nach sich zog. Wir ersaufen seitdem in Stechmücken, weil es zu wenig Wespen, Vögel und Spinnen gibt, die es mit ihnen aufnehmen. Leseprobe
Vor dieser Kulisse hat die in Hamburg lebende Autorin Jasmin Schreiber ihren dritten Roman "Endling" angelegt. Weil es - wie sie sagt - bislang noch niemand gewagt hat: "Man muss nicht über den Klimawandel schreiben, aber man kann über eine Familie im Biodiversitätsverlust schreiben, so wie ich es gemacht habe. Einfach auch, dass wir uns dran gewöhnen, dass das das Setting sein kann und zu gucken, wie Menschen theoretisch damit umgehen. Wenn der Klimawandel kommt, dann lassen wir ja nicht alles stehen und liegen - wir sind ja schon mittendrin. Sondern ich muss ja trotzdem arbeiten gehen und Geld verdienen und wohnen - alles in diesem Setting. Deswegen war mir das auch ein Anliegen, selber mal damit anzufangen und nicht nur zu sagen: 'Die anderen müssten darüber mal schreiben.'"
"Endling": Leicht dystopischer Roman
Herausgekommen ist ein leicht dystopischer Roman, aber vor allem auch eine berührende Familiengeschichte und ein verrückter Roadtrip.
Als Zoes Mutter zu einer Reha fährt, kümmert sich die Biologin um ihre Teenie-Schwester Hanna und die kauzige Tante Auguste. Als eine Freundin der Tante verschwindet, machen sich die drei Frauen auf die Suche. Erst in Südtirol, dann in Schweden. Mystische Wälder spielen eine Rolle und abgeschiedene Siedlungen, in denen nur Frauen leben. Quasi nebenbei schildert Jasmin Schreiber dabei die politische Lage im Jahr 2041:
Abtreibungen waren komplett verboten, außer im medizinischen Notfall. Hier in Deutschland, aber auch in den meisten anderen EU-Staaten. Verhütungsmittel wie die Pille gab es nur für verheiratete Paare, und dann auch nur, wenn der Mann seine Zustimmung gab. Die Pille danach gehörte der Geschichte an, genau wie umfassende gesundheitliche Aufklärung. Leseprobe
Überraschend leichtfüßig trotz schwerer Themen
"Endling" trägt also eine klar feministische Handschrift. Auch! Denn der Roman ist sehr vielschichtig und trotz der schweren Themen überraschend leichtfüßig unterwegs. Und das liegt vor allem an Jasmin Schreibers Stil: nie belehrend, leicht umgangssprachlich, warmherzig und stets lakonisch. Gleichzeitig lernt man viel übers Artensterben.
Apropos: Eine wichtige Rolle im Roman spielt auch die Weinbergschnecke HP 14. 2041 ist sie die allerletzte ihrer Art, der "Endling": "Dieses Wort hat eine fast schon poetische Kraft", findet Jasmin Schreiber "und deswegen dachte ich mir: Das ist der perfekte Romantitel. Auch wenn der Verlag erst ein wenig verwirrt war, weil die dachten, dass das Wort niemand kennt. Aber genau deshalb mache ich das ja, weil jetzt kennen es die Leute - und darum geht es."
Endling
- Seitenzahl:
- 334 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Eichborn
- Bestellnummer:
- 978-3-8479-0145-7
- Preis:
- 23 €